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Transscript der zweiten Anhörung von Präsident Slobodan Milosevic vor dem Internationalen Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien am 30. August 2001

(Dies ist in deutscher Übersetzung aus dem Englischen der vollständige Wortlaut nach einer Tonbandaufnahme, die im Auftrag des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic - Deutsche Sektion - während der Übertragung der Sitzung im Presseraum des Tribunals gemacht wurde. Auszüge des Hearings veröffentlichte die BBC am 30 August 2001, 13:12 GMT. Eine unvollständige und teilweise grob fehlerhafte deutsche Übersetzung, die auf der Basis der BBC-Auszügen erstellt und weiter um wesentliche Passagen zu Milosevics Antrag zur Gerichtshoheit des Tribunals gekürzt wurde, erschien in Neue Zürcher Zeitung vom 31. August 2001.)

Richter Richard May: Herr Milosevic, falls Sie irgendwelche Themen im Zusammenhang mit Ihrem Fall oder Ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung erörtern möchten, haben Sie jetzt die Gelegenheit.

Milosevic: Nun, erst einmal möchte ich wissen, ob ich überhaupt sprechen kann oder ob Sie mir wieder das Mikrophon abstellen wie beim ersten Mal.

Richter: Herr Milosevic, wenn Sie die Spielregeln einhalten, werden Sie sprechen können. Wenn sie relevante Fragen behandeln, können sie reden.

Milosevic: Nun, dann habe ich die nächste Frage: Ich möchte Ausführungen über die Illegalität dieses Tribunals machen.

Richter: Sie haben bereits einen Antrag zu diesem Gegenstand eingereicht. Beantragen Sie, ihn zu diesem Gegenstand mündlich an die Kammer zu richten?

Milosevic: Ich werde, falls ich die Ausführungen, die 40 Minuten dauern können, nicht mündlich machen kann, schriftlich einreichen.

Richter: Warum machen Sie nicht...

Milosevic: Meine Mitarbeiter werden sie der Presse geben, wenn Sie mir nicht gestatten, sie hier öffentlich zu machen.

Richter: Wenn Sie sie schriftlich vorlegen, können sie umgehend öffentlich gemacht werden. Wenn Sie sie in schriftlicher Form haben, dürfte es angebrachter sein, sie auf diese Weise zu behandeln.

Milosevic: Das ist Ihre Entscheidung. Wir sollten wie zivilisierte Menschen kommunizieren und nicht durch Ausschalten des Mikrophons oder unter Ausnutzung der Macht dazu, so dass wir uns darüber verständigen können, was möglich ist und was nicht.

Also überlasse ich sie (die Ausführungen zur Illegalität des Tribunals/KvR) Ihnen in schriftlicher Form.

Richter: Nun,---

Milosevic: Und wenn ich kommentieren kann, was ich eben gehört habe. Das war sehr interessant, was ich jetzt gehört habe, und das beweist, was ich am 3. Juli gesagt habe, dass dies eine falsche Anklage ist.

Ich wurde am 26. Mai angeklagt, dem 60. Tag der Nato-Aggression gegen Jugoslawien, als ich mein Land verteidigte, und das ist zweieinhalb Jahre her, und wir haben eben gehört, dass sie keine Beweise haben, dass sie in zweieinhalb Jahren die Anklage nicht vervollständigen können; das ist eine sehr lange Zeit für die Vervollständigung einer falschen Anklage. Und was wir gehört haben, war der Beweis dafür. Und, selbstverständlich, aufgrund meiner Einstellung, dieses Tribunal nicht anzuerkennen, mit einer klaren Meinung, die durch rechtliche Tatsachen bewiesen ist, vermag ich nicht zu erkennen, warum ich mich vor einem falschen Tribunal gegen eine falsche Anklage zu verteidigen habe.

Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen einige Fragen im Bezug auf meine Lage in illegaler Gefangenschaft stellen.

Richter: Sie können uns keinerlei Fragen stellen, aber wenn es Sachverhalte gibt, die Sie diesbezüglich ansprechen möchten, könnten Sie das tun.

Milosevic: Durch Befehl dieser illegalen Institution werde ich in totaler Isolation gefangen gehalten, und meine Frage lautet: Warum werde ich von meiner Familie isoliert? Warum kann meine Familie mich nicht besuchen, wie dies bei anderen Häftlingen möglich ist? Warum werden die Besuche meiner Familie überwacht und aufgezeichnet? Warum müssen Sie meine Unterhaltungen mit meinem Enkel aufzeichnen, der zweieinhalb Jahre als ist? Kurz: Warum verletzen Sie derart massiv meine Rechte?

Und warum werde ich von den Personen isoliert, die mich besuchen möchten und mit denen ich über verschiedene juristische Aspekte meiner Situation in dieser illegalen Gefangenschaft zu sprechen habe?

Richter: Halten Sie hier einmal ein! Die Haftbedingungen sind Sache des Registrars des Tribunals. Falls sie bei Ihnen anders gehandhabt werden als bei anderen, werden wir dem nachgehen. Das Problem mit den Anwälten ist, dass Sie bisher keinen Anwalt gewählt oder beauftragt haben, und die Regeln erlauben rechtlich geregelte Besuche eines beauftragten Anwalts.

Ist nun Ihre Position so, dass Sie sich selbst zu vertreten wünschen, keinen Anwalt zu beauftragen wünschen, aber doch Zugang zu rechtlicher Beratung zu haben wünschen? Entspricht dies, zusammengefasst, Ihrer Position?

Milosevic: Nun, es ist klar, dass es mein Recht ist, verschiedene Experten für verschiedene Aspekte meiner Lage in illegaler Gefangenschaft zu kontaktieren.

Ferner habe ich das Recht, Anwälte zu kontaktieren, die meine privaten Angelegenheiten in Jugoslawien wahrnehmen, ich habe das Recht, Anwälte zu kontaktieren, die in verschiedenen internationalen Organisationen tätig sind, die mich unterstützen, ich habe das Recht, mit diesen Leuten zu kommunizieren. Und ich kann nicht verstehen, wie dies auf einer diskriminatorischen Basis gehandhabt wird. Nach meinem Verständnis beruht das gesamte System der Vereinten Nationen auf dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung, und ich werde diskriminiert, ständig vom ersten Tag meiner Verhaftung an.

Richter: Das Problem ist, dass Sie keinen Anwalt beauftragt haben; würden Sie einen Anwalt beauftragen, wäre die Sache klar. Die Mitarbeiter hier haben die Regeln zu befolgen, und die Person, die zu rechtlich geregelten Besuchen berechtigt ist, ist Ihr beauftragter Anwalt. Aber Sie erklären, es gibt im Wesentlichen zwei Sachverhalte, zu denen Sie Beratung wünschen; Sie wünschen zu allererst Beratung über Ihre Position hier in diesem Verfahren; ferner wünschen Sie Beratung über Ihre Angelegenheiten in Jugoslawien. Trifft das zu?

Milosevic: Nun, dies natürlich und viele andere Dinge, die ich Kopf, über die ich mit Personen zu sprechen habe, die mich besuchen möchten und mich kontaktieren möchten.

Richter: Die Kammer wird diese Angelegenheiten prüfen.

Milosevic: Die dritte Frage ist: Warum werde ich von der Presse isoliert, insbesondere unter Bedingungen, wo Tag für Tag etwas gegen mich als reine Lüge gedruckt oder gesendet wird. Sie halten mich unter Isolation, damit ich nicht mit der Presse kommunizieren kann, nicht einmal per Telefon, was das einzige mir zur Verfügung stehende Mittel ist. Da sind einige Vertreter der Presse. Vielleicht sind einige darunter, die die Wahrheit kennen möchten. Ich glaube, dass niemand vor der Wahrheit Angst haben muss. Und wenn auf der einen Seite die ganze Maschinerie steht, die Sie vertreten, all diese Geheimdienste, die Militärmaschinerie, die Medienmaschinerie und alles übrige und auf meiner Seite ist nur die Wahrheit, wenn Sie mich dann von der Kommunikation mit der Presse isolieren, dann ist klar, dass dies völlig diskriminierend ist; und Sie können in diesem Verfahren, an das Sie denken, von der Idee der Unparteilichkeit nicht einmal reden.

Richter: Herr Milosevic......

Milosevic: Bitte sehr, von meinem Standpunkt aus erkenne ich dieses Tribunal nicht an und betrachte es als völlig illegitim und illegal. Nun, all diese Fragen über Anwälte, Vertreter der Verteidigung gehen ganz an der Frage vorbei. Ich sah in einer Zeitung....

Richter: Herr Milosevic, wir müssen damit einmal zu Ende kommen. Noch einen Moment. Lassen Sie mich auf die Angelegenheiten eingehen, die Sie angesprochen haben, die Regeln der Haftanstalt sehen vor, dass es keine Kommunikation mit der Presse geben soll. Das sind die Regeln, und sie müssen befolgt werden. Sie sind nicht diskriminierend gegen Sie gerichtet. Sie gelten für alle Angeklagten, die sich in Haft befinden.

Was Ihre Einlassung zur Nichtanerkennung des Tribunals betrifft, so haben Sie sie gemacht, und wir haben sie gehört, und es ist nicht nötig, sie zu wiederholen. Gibt es jetzt sonst noch etwas, was Sie hinzufügen möchten?

Milosevic: Nach meinem Verständnis behandeln wir das Problem der Illegalität des Tribunals als ein Problem der Gerichtshoheit (engl.:jurisdiction/KvR). Es ist jedem Juristen in der Welt klar, dass die Frage der Gerichtshoheit eine offene Frage sein kann, wenn es sich um rechtsprechende Institutionen handelt, und Sie sind keine rechtsprechende Institution. Sie sind eine politisches Werkzeug derjenigen.....

Richter: Herr Milosevic, Sie haben dies bereits angesprochen, Herr Milosevic, wir werden Ihre politischen Argumente nicht anhören. Sie haben Ihren Antrag zur Gerichtshoheit gestellt, den Sie vorlegen können, und den wir prüfen werden. (Mikrofon von Milosevic wird abgestellt/KvR) Wir werden ihn prüfen. Diese Anhörung wird auf Montag, den 29. Oktober, vertagt.


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