Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Miloševic - Deutsche Sektion

Pressemitteilung 11/2002
18.12.2002

Gefahr des Justizmords weiterhin akut


Am 18.12.2002, dem letzen Tag des "Prozesses" gegen Slobodan Miloševic in diesem Jahr, war die "Behandlung administrativer Fragen" angekündigt. Im Klartext sollte es um die gesundheitliche Situation von Slobodan Miloševic gehen und die Chance, dass er das Verfahren lebend übersteht. Die Behandlung des Problems im "Gericht" wurde völlig den Erwartungen gerecht, die bereits jene eiskalte Bürokratensprache hervorrief, als sie eine Überlebensfrage zur "administrativen" Frage degradierte. In weniger als drei Minuten war "Richter" May mit dem Problem fertig.

Zunächst informierte er, dass die Kammer ärztliche Gutachten und Anträge "der Parteien" erhalten habe. Dass zu diesen auch solche des Internationalen und von nationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic waren, Appelle von US-Intellektuellen und von deutschen Ärzten sowie eine einstimmige Resolution der russischen Duma, das unterschlug May, sicher nicht aus Zeitgründen.

So ließ er auch keinerlei Diskussion zu diesem Thema zu, sondern verkündete wie ein abschließendes Urteil die drei Punkte: Fortsetzung des "Prozesses" nach vorgesehenem Zeitplan "unter Berücksichtigung" der Gesundheit des "Angeklagten", keine Bestellung eines (von Carla del Ponte geforderten) Zwangsanwalts, da unvereinbar mit den Regeln des "Gerichts", und drittens: keine zeitweilige Haftentlassung von Slobodan Miloševic, die diesem eine spezialisierte Therapie durch ihn langjährig behandelnde Ärzte ermöglicht hätte.

Damit wird trotz wiederholter Warnungen, besonders von Fachärzten, sehenden Auges weiterhin eine schwere Schädigung der Gesundheit und eine Gefährdung des Lebens von Slobodan Miloševic in Kauf genommen. Damit sehen sich all jene bestätigt, die aufgrund des bisherigen Desasters des Prozesses in juristischer Hinsicht unterstellt haben, dass die Lösung "Erledigung des Falles durch Ableben" für die hinter dem "Tribunal" stehenden Kräfte eine zumindest erwägenswerte Variante darstellt.

Der Gesundheitszustand von Slobodan Miloševic, der an außerordentlich überhöhtem Blutdruck, Herzmuskelschwäche, einer Erweiterung der linken Herzkammer und Angina pectoris mit dem Risiko des plötzlichen Herztodes leidet, hat sich in den letzten Monaten aufgrund unerträglicher Haft- und Verfahrensbedingungen rapide verschlechtert. Die erstmalige Untersuchung durch einen niederländischen Kardiologen am 15.11.2002 prognostizierte eine Senkung des Todesrisikos um 11% bei entsprechender Medikation. Am 23.11.2002 wurde nach Zeitungs- und Agenturmeldungen bekannt, dass Miloševic über einen längeren Zeitraum nicht nur keine wirksamen oder unwirksamen, sondern sogar kontraindizierte, nämlich blutdrucksteigernde Medikamente verabreicht wurden.

Eine Initiative von in Deutschland praktizierenden Ärzten und Therapeuten, darunter Mitgliedern der Organisation "Internationale Ärzte zur Verhütung eines Nuklearkrieges", hat in bisher zwei Eingaben an das "Tribunal" u.a. festgestellt:

"Dieser nur als unverantwortlich zu bezeichnende Umgang mit einem Menschen, dessen Gesundheit und Leben Ihnen mit allen Konsequenzen anvertraut ist, wirft ernsthafte Fragen nach den Gründen auf. Er steht zumindest in diametralem Widerspruch zu verschiedenen Dokumenten und Resolutionen der UN über die Behandlung von Inhaftierten, für deren Gewährleistung doch zumindest Verantwortliche, die sich für Vertreter einer UN-Institution halten, in vollem Umfang verantwortlich sein sollten.

Nach der eingetretenen und vom ICTY voll zu verantwortenden Situation bleibt als die ultimative Konsequenz, Slobodan Miloševic umgehend aus dieser gesundheits- und lebensbedrohenden Situation zu befreien und ihn auf freien Fuß zu setzen, damit er sich in Belgrad der längst überfälligen Therapie durch ihn langjährig behandelnde Ärzte unterziehen kann."

Mit seiner heutigen Entscheidung hat Richter May nicht nur solche einschlägigen Hinweise ignoriert. Offenkundig verletzt das Tribunal damit auch Resolutionen und Dokumente der UN-Generalversammlung im Bezug auf die Gesundheit von Personen in Haft, und zwar

Darüber hinaus verletzt das "Tribunal" sein eigenes Statut, insbesondere Artikel 21, Punkt 4b, der dazu verpflichtet, jedem Angeklagten angemessene Zeit und Voraussetzungen für die Vorbereitung seiner Verteidigung zu gewähren.

Aus Sicht des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Miloševic deutet dies darauf hin, dass das Verfahren nur ein organisierter Versuch ist, Slobodan Miloševic umzubringen.

Vertreter des Internationalen Komitees kündigte unmittelbar nach dem "potenziellen Todesurteil" die Prüfung von rechtlichen Schritten gegen "Richter" May an. In den nächsten Tagen wollen sie den Hohen Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf einschalten, damit im "Zirkus del Ponte" endlich die Bestimmungen der UN Geltung erlangen.

Klaus Hartmann
Vizepräsident des ICDSM
Internationales Komitee für die
Verteidigung von Slobodan Miloševic


Kontakt: Klaus Hartmann, Schillstraße 7, D-63067 Offenbach am Main, T/F: 069 - 83 58 50; e-mail: vorstand@freidenker.de


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