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Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Miloševic - Deutsche Sektion

Pressemitteilung 09/2002
24.09.2002

Den Haag: Der Weg-Schauprozess geht weiter


Am 26. September 2002 beginnt beim Haager "Tribunal" die "zweite Runde" gegen Slobodan Milosevic. Nach vier Wochen Sommerferien gab es Ende August bis zum 11.09.2002 erst noch 14 Tage Nachsitzen zum Thema Kosovo, und nach weiteren vierzehn Tagen Pause will nun "Chefanklägerin" del Ponte mit den nachgelegten "Anlagen" zu Kroatien und Bosnien versuchen, ihr Kosovo-Debakel wieder wett zu machen.

Bloß - wer weiß von dem Debakel? Die "Öffentlichkeit" hat seit Monaten kaum etwas vom Verlauf des "Prozesses" vernommen, da die übergroße Mehrheit aller Medien auf jede Berichterstattung über den Haager Schauprozess verzichtete (gab es nicht einmal so etwas wie die "Chronistenpflicht?), und auch auf irgendeine Kommentierung der Zwischenbilanz.

Dieses Schweigen ist beredt, nichts beweist besser, dass der "Prozess" die Erwartungen der Förderer des "Tribunals" in Den Haag maßlos enttäuscht hat. Was als Schauprozess gedacht war, ist für die Mehrzahl der Medien zum Weg-Schauprozess geworden. Daraus spricht die pure Enttäuschung darüber, dass die erwartete Überführung des allenthalben als "Schlächter vom Balkan" vorverurteilten Delinquenten nicht gelang und in den Augen der rapide abnehmenden Zahl von "Prozess"-Beobachtern auch immer unwahrscheinlicher wird.

Dass Del Ponte das Blatt zu ihren Gunsten wenden könnte, wird überwiegend bezweifelt, wie an den wenigen vereinzelten Berichten dieses Sommers zu erkennen ist: "Zweifel sind angebracht, ob das Tribunal seine Aufgaben tatsächlich in der vorgesehenen Frist erfüllen kann", meldet das Neue Deutschland am 22.06.2002: "Denn es knirscht merklich im Getriebe des Internationalen Gerichtshofes, dessen Tätigkeit immer weniger Aufmerksamkeit findet." Und in seiner Ausgabe vom 05.08.2002 sieht das gleiche Blatt die Sommerpause als Erholung für eine genervte Mannschaft dringend geboten: "Der Haager Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) macht Urlaub. Die Damen und Herren scheinen es nötig zu haben, denn die Stimmung in den Büros ist denkbar schlecht. Der alles andere als günstig verlaufende Prozess gegen Slobodan Milosevic" habe "Carla Del Ponte nervlich offenbar ziemlich belastet. So erzählt etwa eine Juristin, die mit Del Pontes Stellvertreter Geoffrey Nice in einigen Gremien sitzt, vom nicht gerade motivierenden Umgang der Schweizerin mit ihrer Mannschaft: ´Sie kritisiert ihre Mitarbeiter lautstark vor versammeltem Team.´ Besonders Geoffrey Nice dürfte Ziel des Zorns der resoluten Frau Del Ponte sein. Er musste in den letzten Wochen immer öfter eine Bürde auf sich nehmen, die sich die Chefanklägerin zu erfolgreicheren Zeiten nicht nehmen ließ: die Anklage gegen Slobodan Milosevic zu managen. Fast scheint es so, als suche Del Ponte nach einem Ausgang aus dem durchwachsenen Prozess."

Die Neue Zürcher Zeitung am 20.06.2002 attestiert, dass der "Angeklagte" die "Kreuzverhöre ... in den vergangenen vier Monaten zum Teil überzeugend geführt hat. Gelegentlich sogar dermassen gut, dass sich der Beobachter im Gerichtssaal die Frage stellte, wer denn eigentlich in diesem Prozess angeklagt ist."

Nachdem die Zeugen der "Anklage" sich regelmäßig als "Zweite-Hand"-Zeugen erwiesen, die nur vom Hörensagen berichten konnten, oder sich hoffnungslos in Widersprüche verstrickten bzw. früher gemachte Aussagen widerriefen, oder ganz einfach als gekaufte Mitarbeiter westlicher Geheimdienste entlarvt wurden, setzte Frau Del Ponte auf eine zweite Kategorie von Zeugen, auf NATO- oder CIA-Angehörige, oder auf Politiker, die ihren seit Jahren notorischen Serbenhass auch in Den Haag "bezeugten". Sie bewiesen in erster Linie ihre verbohrt ideologische Sichtweise, worin sie freilich mit qualifizierten "Tribunals"-Personal übereinstimmten.

Allerdings war diesen "Hochkarätern", u.a. William Walker, der "Massaker"-Entdecker, NATO-General Naumann, Kolonialgouverneur Ashdown und Rambouillet-Erpresser Petritsch, noch eine besondere Funktion in der "Beweisführung" zugedacht. Um zu einem Schuldspruch zu kommen, muss nach den selbstverfassten Regeln dieses "Tribunals" nicht bewiesen werden, dass Slobodan Milosevic Verbrechen geplant oder befohlen hat, allein, wenn er von ihnen erfahren und sie nicht verhindert habe, ist er schuldig. Doch selbst grundsätzliche Anhänger des "Tribunals" äußern Zweifel, dass dies Del Ponte gelungen sei.

Klaus Bachmann ist einer der wenigen Journalisten, die zumindest alle paar Wochen mal aus Den Haag berichten, mal mehr, mal weniger objektiv. In der Frankfurter Rundschau vom 07.08.2002 schrieb er unter der bemerkenswerten Überschrift "Im Haager Tribunal gegen Slobodan Milosevic regiert der Zufall, die Wahrheit über Jugoslawien wird dabei nicht herauskommen":

"Belasten einzelne Zeugen den Angeklagten, weil sie gegen ihn oder sein Land voreingenommen sind? Nato-General Klaus Naumann hat Milosevic schwer belastet mit seiner Aussage, dieser habe Schnaps trinkend Massaker an Albanern angekündigt und sei von ihm über das Massaker in Racak informiert worden. Das würde nach dem Statut des Tribunals für eine Verurteilung genügen - wenn Milosevic seinerseits damals Anlass hatte, Naumann zu glauben. Wie glaubwürdig waren für Milosevic Naumanns Worte, wusste er doch, dass alle Informationen von dem US-Diplomaten William Walker stammten?

Welchen Einfluss Walkers proalbanische Haltung auf seine Haltung gegenüber Milosevic damals und auf seine Aussage vor dem Tribunal hatte, wurde nie ausgelotet, bedauerte das NRC Handelsblatt am Tag nach Walkers Auftritt in Den Haag."

Nach mehreren weiteren Beispielen kommt Bachmann zu dem Schluss: "Das Beweismaterial, das die Richter würdigen sollen, ist weniger Ergebnis einer unabhängigen, unparteiischen Ermittlung, als ein Zufallsprodukt, bei dessen Zustandekommen die Machtverhältnisse in den Herkunftsländern der Zeugen die entscheidende Rolle spielen. Ganz gleich, wie das Urteil der Richter am Ende lauten wird: wird man es fair nennen können, wenn es sich nur auf jenen Teil der Beweise stützt, die dem Gericht gerade zugänglich waren?"

Am 26. Juli 2002, dem letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause sollte nach vielen Flops endlich ein ernsthafter Schlag gegen den Angeklagten geführt werden. Die Anklage hatte einen "Insider", einen Kronzeugen geladen, den früheren Chef der jugoslawischen Staatssicherheit, Rade Markovic. Der war allerdings zuvor von den Belgrader NATO-Statthaltern um Djindjic und Co. inhaftiert und für den Prozess präpariert worden, sodass eine schriftliche Aussage Markovics vorlag, die den früheren jugoslawischen Präsidenten beschuldigte, die planmäßige Vertreibung der Kosovo-Albaner angeordnet zu haben. Entsprechend gut gelaunt und erwartungsfroh war del Ponte und ihr Anhang.

Doch in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27.07.2002 musste man lesen: "Einer der wichtigeren Zeugen im Haager Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Milosevic zu Kosovo, der frühere serbische Geheimdienstchef Rade Markovic, hat sich am Freitag vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal von einer schriftlichen Erklärung distanziert, die er früher in Belgrad unterzeichnet hatte. Markovic, der zur Befragung aus seiner Untersuchungshaft in Belgrad nach Den Haag überstellt wurde, erklärte, er habe das Papier zwar unterschrieben, den Inhalt jedoch nicht gelesen. Ihm sei der Vorschlag unterbreitet worden, eine neue Identität anzunehmen und sich ins Ausland abzusetzen. Als Gegenleistung sei von ihm verlangt worden, Milosevic zu belasten; andernfalls müsse er mit ernsthaften Konsequenzen rechnen."

Im Kreuzverhör bestätigte Markovic hingegen ausdrücklich die Existenz der Befehle zum Schutz der gesamten Zivilbevölkerung ohne Unterschied der Nationalität, zum Verbot von Plünderung und Brandschatzung sowie zur Ahndung von Kriegsverbrechen, die durch Angehörige der Armee oder Polizei begangen worden waren. Der vorsitzende "Richter" May wollte verständlicherweise nicht hören, dass die Methoden der Aussageerpressung, die gegen Markovic angewandt wurden, ein Verstoß gegen die UN-Erklärung gegen die Folter von 1988 darstellt - für May war damit der Punkt erreicht, Slobodan Milosevic wieder das Mikrofon abzustellen. Aber auch die hörbaren Äußerungen wurden nur spärlich und nur von wenigen Medien berichtet, und von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Trotzdem war dieser Verhandlungstag der bis dato größte anzunehmende Reinfall im Zirkus del Ponte, von dem sich die gesamte "Anklage" bis zur Unterbrechung am 11.09.2002 nicht mehr erholte.

Das Internationale Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic zieht aus dem Fiasko von Del Pontes "Kosovo-Anklage" den zwingenden Schluss, dass die unverzügliche Freilassung des "Angeklagten" überfällig ist. Zumal der jetzt beginnende Schauprozessteil über Kroatien und Bosnien nur noch weniger Verwertbares zu Tage fördern kann: Slobodan Milosevic wird als ehemaliger Präsident Serbiens angeklagt, für Ereignisse, die in anderen Ländern stattfanden, an denen andere Armeen beteiligt waren, die unter anderem Befehl gestanden haben. Die gesamte "Anklage" ist eine einzige Konstruktion, und zwar aus der Geschichtsfälscherwerkstatt, um die Verantwortung der Westlichen Mächte, insbesondere Deutschlands und der USA, an der Zerstörung Jugoslawiens zu verdecken. Zur Durchsetzung ihrer Deutungshoheit und Definitionsmacht hält sich die NATO den Zirkus del Ponte. Wie lange noch?

Klaus Hartmann
Vizepräsident des Internationalen Komitees für
die Verteidigung von Slobodan Milosevic (ICDSM),
Sprecher der deutschen Sektion


Kontakt: Klaus Hartmann, Schillstraße 7, D-63067 Offenbach am Main, T/F: 069 - 83 58 50; e-mail: vorstand@freidenker.de


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