Aufgabe der Medien: Ruhe an der "Heimatfront"

Ins Mark getroffen

Das Echo der Medien auf die Ausführungen von Slobodan Milosevic in Den Haag lässt keinen Zweifel: das war ein wirkungsvoller Schlag gegen alle, die seit über 10 Jahren an der antijugoslawischen Front aktiv sind, ob als BND-Agent, NATO-Politiker, Bomberpilot oder Medienvertreter von der "vierten Waffengattung". Entsprechend heulen sie auf wie die sprichwörtlichen getroffenen Hunde.

Ein "souveräner", "angriffslustiger" "Angeklagter" ist so gar nicht nach dem Geschmack der NATO-Hofberichterstatter, besonders nicht, wenn er die jahrelang verdrehte Wahrheit auf die Füße stellt und nachweist, dass die USA, Deutschland und die übrigen NATO-Länder die Hauptverantwortung für die Tragödie auf dem Balkan tragen.

Deshalb muss der Eindruck, den Milosevic bei seiner "Verteidigung" macht, nach Kräften verzerrt und niedergemacht werden. Deshalb werden Kommentare wie "Lügen und Videos" oder "Grand Prix für Demagogie" produziert und mit Attributen wie "unbelehrbar", "stur" und "aggressiv" nicht gegeizt. Noch wichtiger als das Niedermachen des Delinquenten ist aber, dass die Argumente von Milosevic als unglaubwürdig oder belanglos abgetan werden. Das geht erfahrungsgemäß am besten, wenn man sie gar nicht erst in die Öffentlichkeit durchdringen lässt.

So meinte der Fernsehsender Phoenix, nach Eigenwerbung "Ereignis- und Dokumentationskanal", nachdem zwei Tage lang die Verlesung der "Anklage" mit deutscher Übersetzung zu vernehmen war, am Donnerstag auf die Übersetzung der Gegenrede von Milosevic verzichten zu können. Die Deutsche Sektion des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic rief im Internet (www.free-slobo.de) zu Protesten bei der Phoenix-Redaktion auf und nach zahlreichen Fax- und E-Mail Protesten gab es am Freitag plötzlich eine deutsche Übersetzung.

Hingegen erklärte die "Übersetzerin" bei EuroNews ständig, dass ihr eine Übersetzung des "Tribunals" vorliege, doch gab sie keinen einzigen zusammenhängenden Satz daraus wieder; stattdessen wiederholte sie immer wieder, dass Milosevic "ein weiteres Bild aus einem anderen Dorf mit Opfern der Terroristen, wie er sie nennt, zeigt". Damit niemand erfährt, wann und wo es wie viele Opfer gab, aber völlig klar ist, dass die Mörder nach Meinung der Übersetzerin keinesfalls Terroristen genannt werden dürfen. Werner Pirker nannte in einem Kommentar für die junge Welt dieses "Dumpfbacken-TV" trefflich "Idiotisierung der öffentlichen Meinung".

Dass "der US-Nachrichtensender CNN Bilder zensiert, die der Angeklagte als Beweismaterial vorlegte", meldete nur die Nachrichtenagentur AFP, "´zu plastisch´ für die Öffentlichkeit" hieß es zur Begründung von jenem NATO-Frontsender, der bedenkenlos gefälschte Bilder angeblicher "serbischer KZs" zeigte, die von Patin del Ponte präsentiert wurden.

Am Freitag schließlich kündigten Phoenix und EuroNews für den Nachmittag die Fortsetzung der Übertragung aus Den Haag an, um dann ohne Begründung darauf zu verzichten. BBC und CNN hatten schon im Laufe des Vormittags ihre Übertragung eingestellt. Im Zeichen von Demokratie und Ausgewogenheit wird nur eine, die NATO-"Wahrheit", akzeptiert.

So überrascht es auch nicht, dass hierzulande nur Financial Times und Neues Deutschland über den Beschluss der russischen Duma vom Freitag berichten, die mit 316 gegen 6 Stimmen Milosevics sofortige Freilassung forderte. Sie warf dem "Tribunal" vor, sich für Verbrechen der NATO und der albanischen Extremisten nicht zu interessieren.

Ein Thema, das die deutschen Medien umso ausgiebiger durchkauten, war die "Unverschämtheit" Milosevics, seine Anklage gegen die NATO mit der Vorführung des Monitor-Beitrags "Es begann mit einer Lüge" zu eröffnen. In fast allen Medienberichten wurde der Film als "umstritten" bezeichnet, weil die FAZ schon vor einem Jahr mit dem WDR um den Film herumstritt und jetzt höhnte, dass der "Film den WDR nicht mehr loslasse". Die CSU-Politiker Goppel und Huber forderten am Sonntag eine "offizielle Entschuldigung" des WDR-Intendanten Pleitgen für den Film. In entwaffnender Offenheit forderte Goppel, "dass Sender wie der WDR sich endlich ihrer übergeordneten Verantwortung bewusst sind" (Welt am Sonntag, 17. 2. 02). Gleichschaltung der öffentlichen Meinung, das ist die übergeordnete Verantwortung in Kriegszeiten, wehrkraftzersetzende Feindpropaganda kann nicht geduldet werden.

Da hilft es Jörg Schönenborn, Chefredakteur des WDR-Fernsehens, gar nichts, wenn er Milosevics Berufung auf den Film als "absurd und dreist" bezeichnet. Denn zugleich betonte er, der Film sei "inhaltlich einwandfrei" gewesen und es gebe "keine Fakten zu korrigieren"! Nachdem alle "Gründe" für die NATO-Aggression als Zwecklügen enttarnt sind, hat die Milosevic-"Anklage" nur den Zweck, die NATO-Aggression nachträglich zu legitimieren. Da sich hierbei der Mangel an Beweisen als hinderlich erweisen dürfte, versucht die taz (15. 2. 02) ihre Leser bereits auf ein nach Lynch-Manier mit dem schlichten Hinweis auf "Opfer" konstruiertes Urteil einzustimmen.

Bereits aus allen bisherigen Enthüllungen folgt zwingend die Forderung nach unverzüglicher Freilassung von Slobodan Milosevic und der Auflösung des Haager Tribunals der Kriegsverbrecher. Die Aufgabe der Medien ist es, mit allen Mitteln zu verhindern, dass diese Logik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt. Je weniger Milosevic selbst zu Wort kommt, umso größer sind ihre Chancen.

Klaus Hartmann

unsere zeit - Zeitung der DKP, vom 22. Februar 2002


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