Prozeß gegen Milosevic: Ein neuer Fall Dimitroff?

jW sprach mit Velko Valkanov, Gründer und Vorsitzender des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic (ICDSM)

F: Das von Ihnen geleitete Internationale Komitee zur Verteidigung von Slobodan Milosevic ruft für den 8. November zu einer internationalen Demonstration gegen das Den Haager Tribunal auf. Der Ankündigung ist zu entnehmen, daß Sie eine Parallele zwischen dem Prozeß gegen Ihren Landsmann Georgi Dimitroff vor 70 Jahren und dem Prozeß gegen den ehemaligen jugoslawischen Staatschef Milosevic ziehen.

In der Tat bestehen bedeutsame Parallelen zwischen dem Prozeß gegen Dimitroff 1933 und dem Prozeß gegen Milosevic heute. Dimitroff war ein Opfer des deutschen Faschismus. Milosevic ist ein Opfer des USA-Globalismus, der eine neue Form des Faschismus darstellt. Dimitroff verteidigte nicht nur seine eigene Freiheit und Ehre, sondern die Freiheit und die Ehre aller Menschen. Auch Milosevic verteidigt nicht nur seine eigene Freiheit und Ehre. Er verteidigt die Freiheit, Ehre und Würde seines Volkes und dadurch die Freiheit, Ehre und Würde aller Völker. Dimitroff hat dem deutschen Faschismus einen vernichtenden Schlag versetzt. Auch Milosevic wird, das zeigt sich schon jetzt, in der Anklagezeit, dem US-amerikanischen Globalismus einen vernichtenden Schlag versetzen.

F: Dimitroff genoß weltweit volle Unterstützung.

Ja, in dieser Richtung ist leider keine Parallele zu verzeichnen. Dimitroff bekam große Unterstützung, vorwiegend aus der Sowjetunion. Heute existiert die Sowjetunion nicht mehr; die Welt wird von den USA und der NATO dominiert. Ihnen sind auch die Weltmedien untergeordnet. Dadurch herrscht die Lüge. Milosevic hat die Unterstützung vieler ehrlicher Menschen, aber ihre Verteidigungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt. Trotzdem haben sie ihre Chance, da sie die Wahrheit auf ihrer Seite haben.

F: Der angesehene holländische Völkerrechtler Paul de Waart hat kürzlich geäußert, daß die Verhandlungen allein aus formaljuristischen Gründen, aus Mangel an Beweisen, bereits einen Monat nach Beginn hätten eingestellt werden müssen.

Ich stimme mit Herrn de Waart vollkommen überein. Der Prozeß gegen Milosevic besitzt keinerlei juristische Grundlage. Das Haager Tribunal wurde durch einen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates errichtet. Der Sicherheitsrat hat jedoch keine Befugnis, rechtsprechende Organe zu schaffen. Laut Artikel 29 der Charta der Vereinten Nationen kann der Sicherheitsrat nur Hilfsorgane bilden, die seine eigenen Funktionen bedienen. Wie ein Internationales Strafgericht etabliert werden kann, zeigt uns die Gründung des neuen Internationalen Strafgerichthofes durch das Statut von Rom von 1998. Nachdem das Statut von den Vertretern der Staaten unterzeichnet wurde, mußte es in den entsprechenden Staaten ratifiziert werden. Nur so wird es für den jeweiligen Staat rechtswirksam.

F: Die Richter des Tribunals haben Slobodan Milosevic nur drei Monate zur Vorbereitung seiner Verteidigung genehmigt, während sich die Anklageseite viele Jahre vorbereiten konnte.

Es ist keineswegs überraschend, daß die Richter Herrn Milosevic eine so geringe Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung gewährt haben. Sie sind keine wirklichen Richter. Wenn das Tribunal kein legitimes Gericht ist, wie können diese Leute wahre Richter sein? Sie haben eine politische Aufgabe zu erfüllen. Sie sind die ausführenden Organe einer politischen Rache – einer Rache an jenen, die den Mut hatten, den Weltmachthabern zu widersprechen. Die angeblichen Richter von den Haag sind eigentlich Helfershelfer der Verbrecher der NATO. Die Art und Weise ihres Benehmens im Prozeß beweist ihre anti-juristische Natur.

Der ehemalige Abgeordnete des bulgarischen Parlaments Velko Valkanov ist Professor für Rechtswissenschaften und Präsident der Antifaschistischen Union seines Heimatlandes Bulgarien.

Interview: Cathrin Schütz
junge Welt vom 30.10.2003


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