Das Kriegsfemegericht tagt

Kommentar von Klaus Hartmann zum Prozeß gegen Slobodan Milosevic in Den Haag

Am Dienstag wechselten in den Berichten von CNN, BBC, Euronews und anderen Nachrichtensendern ständig die Kriegsschauplätze: Von den Tausenden Leichen in Kandahar als Ergebnis der US-Bombardements zu den von israelischen Kampfhubschraubern getöteten palästinensischen Kindern, dann in den Saal des »Tribunals« in Den Haag, wo die Verfolgungsbehörde Slobodan Milosevic des Völkermords anklagt, und zurück nach Tora Bora, wo US-Flugzeuge weiterhin sieben Tonnen schwere Bomben abwerfen.

Die Ereignisse haben mehr miteinander zu tun, als daß sie nur wegen ihrer Gleichzeitigkeit zu einem militärischen Potpourri gemixt werden. Ihr Zusammenhang besteht darin, daß die USA, ihre Klientelstaaten und die NATO unter Bruch der UN-Charta Kriege führen, Terrorakte gegen die Zivilbevölkerung und schwerste Kriegsverbrechen begehen und dabei keine Strafe fürchten müssen. Zugleich können sie unter abermaligem Bruch der UN-Charta Sondertribunale kreieren, um ausgewählte Gegner zu kriminalisieren, Regierungen zu stürzen und Staaten zu zerstören. Das »Verbrechen »von Slobodan Milosevic besteht darin, dem von Washington seit 1988 verfolgten Plan der Zerschlagung Jugoslawiens ebenso Widerstand geleistet zu haben, wie der NATO-Aggression 1999. Demjenigen, der die Erhaltung Jugoslawiens und gleiche Rechte für alle Bürger verteidigte, der sich der Zerstückelung eines multiethnischen Bundesstaates in ethnische Kleinstaaten widersetzte, wirft die »Anklage« wahrheitsverdrehend vor, ein »Großserbien« angestrebt zu haben. Der Vorwurf der Teilnahme an einem »gemeinsamen kriminellen Unternehmen« fällt voll auf das Haager Femegericht und seine Auftraggeber zurück.

Slobodan Milosevic nannte die von Carla del Ponte fabrizierte Anklage treffend einen »tragischen Text von höchster Absurdität. Mir sollte Anerkennung gezollt werden, daß ich Frieden, nicht aber Krieg für Bosnien-Herzegowina gebracht habe. Die Verantwortung für den Krieg in Bosnien tragen jene Mächte und ihre Agenten in Jugoslawien, die Jugoslawien zerstört haben, aber nicht das serbische Volk oder serbische Politiker«. Der Schauprozeß in Den Haag soll auch vergessen lassen, daß Truppen des CIA-Söldners Osama bin Laden und andere islamistische Terroristen seinerzeit in Bosnien mit US-Unterstützung für die Balkanisierung Jugoslawiens kämpften, um einen islamistischen Staat mit minderen Rechten für die 40-Prozent-»Minderheit« der Serben zu erschaffen. Die Öffentlichkeit soll sich daran gewöhnen, daß für dieselben Weltherrschaftsinteressen der USA und ihrer Verbündeten, für die Jugoslawien zerschlagen wurde, heute unter dem Vorwand des Krieges »gegen Terror« eine ständige westliche Militärpräsenz in Zentralasien installiert wird.

junge Welt vom 13.12.2001


Klaus Hartmann ist Sprecher der deutschen Sektion des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic


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