dfvDeutscher Freidenker-Verband e. V.
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9. April 2002

Fehlbesetzung des Jahres:
Del Ponte als "Friedens"-Preisträgerin!

Die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e. V. vergibt seit dem Jahr 1998 einen Westfälischen Friedenspreis zur Erinnerung an den 1648 geschlossenen Westfälischen Frieden. Die Gesellschaft hat sich entschieden, mit dem Preis im Jahr 2002 Frau Carla del Ponte auszuzeichnen.

Diese Entscheidung stellt den größten anzunehmenden Missgriff dar. Die Preisträgerin symbolisiert das Gegenteil all dessen, wofür der Westfälische Friede epochale historische Geltung beansprucht.

Der Westfälische Friede beendete nicht nur den 30-jährigen Krieg, in den die Auseinandersetzungen der Konfessionen in Europa seit der Reformation mündeten. Er begründete die Koexistenz verschiedener Konfessionen und schuf die Grundlage für multireligiöse Gesellschaften, für die Toleranz von Religionen und Weltanschauungen. Der Westfälische Friede begründete die Anerkennung des Prinzips der Souveränität, der Gleichheit und Gleichberechtigung der Staaten. Damit schuf er die Grundlagen jeglichen modernen Völkerrechts, die bis heute in der Charta der Vereinten Nationen fortgelten.

Seit 1991 sind wir in Europa Zeugen der Zerstörung des multinationalen, multikulturellen und multireligiösen Staates Jugoslawien. Interessierte westliche Mächte haben nationale und religiöse Gegensätze angestachelt, Hass gesät, Separatismus gefördert, Bürgerkriegsparteien bewaffnet, Terrororganisationen geschaffen. Den Höhepunkt und vorläufig letzten Akt der Zerstörung Jugo-slawiens bildete der völkerrechtswidrige Angriffskrieg des NATO-Paktes 1999. Menschen aller Nationalitäten haben in diesen Auseinandersetzungen entsetzlich gelitten.

Deutschland kann den traurigen Ruhm beanspruchen, kurz nach der eigenen staatlichen Vereinigung eine Vorreiterrolle bei der Zerstörung Jugoslawiens gespielt zu haben. Die USA und ihre NATO-Verbündeten haben auf dem Balkan eine große Zahl abhängiger und kaum lebensfähiger Kleinstaaten, Protektorate und Halbkolonien geschaffen sowie Militärstützpunkte errichtet, um die Region zu kontrollieren und von diesem geostrategischen Punkt aus ihre Kontrolle über die Roh-stoffe Mittelasiens und deren Transportwege auszudehnen.

Mit der Installation eines Ad-hoc-Tribunals für das "ehemalige Jugoslawien" hat der hierfür unzuständige UN-Sicherheitsrat unter Verletzung der UN-Charta ein Instrument zur selektiven Strafverfolgung geschaffen, das zu gleicher Rechtsprechung unfähig ist und das Prinzip der Gewaltentrennung aufhebt. Die Aufgabe dieses "Tribunals" ist es, die Motive und Taten jener zu verhüllen, die sich der Zerstörung Jugoslawiens schuldig gemacht haben, die NATO-Aggression nachträglich zu legitimieren und die Schuld für die Tragödie auf dem Balkan den Opfern dieser Gewaltpolitik anzulasten.

Als Frontfrau hat sich seit Sommer 1999 Carla del Ponte für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt, die Zerstörung Jugoslawiens mit parajuristischen Mitteln zu vollenden und den Endsieg der NATO im Propagandakrieg zu erringen. Als Mafia-"Jägerin" in ihrer Heimat ins Zwielicht geraten, erfüllt sie in Den Haag nicht einfach einen Auftrag, sondern nimmt diesen mit einer fanatischen Leidenschaft wahr: Keineswegs als "Stimme der Opfer", wie die preisauslobende "Wirtschaftliche Gesellschaft" in völliger Verkehrung der Realität annimmt, sondern als Stimme der Täter, die Opfer und ihre Repräsentanten kriminalisierend. Del Ponte übernimmt in ihren "Anklagen" alle sattsam bekannten Stereotypen des Medienkrieges und der NATO-Kriegspropaganda einschließlich längst enttarnter Kriegszwecklügen, um Slobodan Milosevic und die Führung Jugoslawiens jener Verbrechen zu bezichtigen, die ihre eigenen NATO-Herren gegen Jugoslawien begangen haben.

Diese Tätigkeit ist kein "Geschenk der Friedenshoffnung", wie die "Wirtschaftliche Gesell-schaft" fantasiert, sondern ein Geschenk für die NATO mit ihrer neuen Doktrin weltweiter Inter-ventionen für geostrategische und Wirtschaftsinteressen im Zeichen der Diktatur der neuen Weltordnung. In diesem Sinne ist das "Tribunal" in Den Haag keine Institution der Rechtsprechung, sondern der Fortsetzung der Aggression mit anderen Mitteln. Es ist Teil der Zerstörung des Völkerrechts, die mit der Selbstmandatierung der NATO ihren Anfang nahm, die Ersetzung der Herrschaft des Rechts durch das "Recht" des Stärkeren.

Praktisch wirksam wird dieses "Geschenk" im NATO-Protektorat Kosovo und Metohija, wo seit Ende der NATO-Aggression über 350.000 Serben und andere Nicht-Albaner vertrieben und über 4.000 ermordet wurden oder "verschwanden" sowie über 100 Kirchen und Klöster zerstört wurden. Wirksam wird dies in der Ermunterung des islamischen Terrorismus, der für ein "Großalbanien" weitermordet, und sich dabei unter UN-Aufsicht auf das Netzwerk stützen kann, das nach Aussage des ehemaligen tschechischen Außenministers Jiri Dienstbier seit 1994 von Osama bin Laden auf dem Balkan aufgebaut wurde.

Mit dem Friedenspreis des Jahres 2002 wird eine Politik und deren Symbolfigur ausgezeichnet, die alle historischen Errungenschaften des Westfälischen Friedens zu liquidieren bestrebt ist.

Die Preisverleihung an Frau Del Ponte ehrt die NATO-Politik der Zerstörung multinationaler und multireligiöser Gemeinschaften, der Zerstörung der Souveränität und Integrität, der Unabhängigkeit und Gleichberechtigung von Staaten. Dies ist eine Auszeichnung für den Bruch des Friedens, die Zerstörung des Völkerrechts und den Rechtsnihilismus der Neuen Weltordnung.

Diese Preisverleihung ist ein Affront gegen alle friedliebenden und rechtsbewussten Menschen, aber zugleich ein Appell, keinen Frieden mit den Neuen Weltordnern zu machen, sich ihren Kriegen entgegen zu stellen und die Solidarität mit ihren Opfern zu verstärken.

Klaus Hartmann
Bundesvorsitzender


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