Interview mit Vladimir Krsljanin

Cathrin Schütz sprach mit dem außenpolitischen Assistenten des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic, der in Den Haag vor Gericht steht

Der Belgrader ist leitendes Mitglied des jugoslawischen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic, SLOBODA.

CS: Mitte Dezember wird der amerikanische General Wesley Clark, der 1999 als NATO-Oberkommandierender die 78-tägigen Dauerbombardements auf Jugoslawien leitete, als Zeuge der Anklage im Milosevic-Prozeß vor dem Den Haager Kriegsverbrecher-Tribunal auftreten. Auf Anordnung der Regierung in Washington bleiben die Türen des Gerichtssaals dann für Öffentlichkeit und Medien geschlossen. Vor Bekanntgabe der Protokolle und Videoaufnahmen hat die US-Regierung 48 Stunden Zeit, um darin Zensuren und Änderungen vorzunehmen. Diese Maßnahmen werden sogar vom Presse-Mainstream als "ungewöhnlich" bezeichnet.

VK: Zudem hat die US-Regierung bereits jetzt festgelegt, welche Punkte von vornherein in einer für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen, geschlossenen Sitzung behandelt werden. Aus rechtlichen Gesichtspunkten muß man das als totale Katastrophe bezeichnen. Ein Tribunal, das in dieser Weise arbeitet, sollte nicht existieren. Wir erwarten, daß es am 15. Dezember, dem Tag, an dem Clark erscheinen wird, in Den Haag Proteste geben wird.

Ich werte diese Bedingungen der Bush-Regierung als ein Zeichen offensichtlicher Angst. Es ist auch ein Test, wie es aussehen wird, wenn Zeugen kommen, die Milosevic, wie er angekündigt hat, selber gerne befragen will. Nach den Regeln des Haager Tribunals bekommt Präsident Milosevic nur vier Stunden für das Kreuzverhör. Ich bin mich sicher, daß sie den Fall und ihr Tribunal danach abschließen müssen, es sei denn, die entscheidenden Fragen werden als "irrelevant" abgewiesen.

CS: Das Tribunal hat ja bereits angekündigt, daß sich die Zeugenbefragung Clarks ausschließlich auf vorher mit der US-Regierung festgelegte Punkte beziehen darf. Das wird die Strategie Milosevics, die Schuld der westlichen Regierungen darzulegen, unmöglich machen.

VK: Diese Bedingungen der US-Regierung, denen Seitens der Richter stattgegeben wurde, sind verbrecherisch. Offensichtlich können die Vereinigten Staaten mit ihrem Marionettengericht spielen wie sie wollen. Sie fürchten die wahren Fakten. Sie wollen von der Wahrheit nicht bloßgestellt werden. Sie haben überhaupt kein Interesse an der Wahrheitsfindung. Das Tribunal, wie seine Ablehnung, NATO-Kriegsverbrechen zu verfolgen gezeigt hat, klagt keine US-Bürger an. Und dieses Tribunal soll sie nun auch nicht in eine unbequeme Lage versetzen.

Das Tribunal macht einem Staatsoberhaupt den Prozeß und ist zur gleichen Zeit nicht in der Lage, normale Bedingungen zu gewähren, wenn Personen aussagen, die direkt in die Geschehnisse verwickelt waren. Jeder Mensch, der ein Gerechtigkeitsgefühl besitzt, muß das als endgültigen Beweis ansehen, daß ein solches Tribunal nicht existieren darf.

Doch das ist nur ein weiterer Beweis dafür, daß es sich nicht um ein "Gericht" handelt. Es ist ein Tribunal von Verbrechern und jeder sollte dagegen vorgehen. Wir verurteilen die Maßnahmen in gleicher Weise wie wir auch das Tribunal nicht anerkennen. Die Restriktionen zeigen die Angst der wahren Verbrecher, die Tausende Menschen in unserem Land getötet haben.

CS: Der derzeit im US-Präsidentschaftswahlkampf kandidierende Wesley Clark hat sein Auftreten im Zeugenstand kürzlich mit der historischen Bedeutung des Falls, in dem zum ersten Mal einem Staatsoberhaupt wegen Kriegsverbrechen der Prozeß gemacht würde, begründet. Doch Clark selbst wurde neben zahlreichen westlichen Staatsoberhäuptern wegen ihrer Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien von einem Belgrader Gericht wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt.

VK: Ja. Clark, Clinton, Schröder, Fischer und anderen wurde in Belgrad in Abwesenheit der Prozeß gemacht. Das Gerichtsurteil, das sie für schuldig erklärte, wurde einige Wochen vor dem Sturz der Milosevic-Regierung gefällt. Als es den Betroffenen zugestellt wurde, war Präsident Milosevic schon im Belgrader Gefängnis in Haft. Natürlich störte die Verurteilung dann die vielen Ehrenempfänge der westlichen Herren bei den neuen Machthabern. Das unterdessen tote, pro-westliche DOS-Regime zwang das Verfassungsgericht im September 2001, das Urteil wegen "Verfahrensfehler" aufzuheben. Es wurde entschieden, daß ein militärischer Staatsanwalt in ein neues Verfahren einzubeziehen ist, was natürlich nicht geschehen ist. Erst mit der Wiederherstellung der Demokratie in Serbien werden wir auch das Rechtssystem wieder herstellen können.

Daß mit General Clark nun einer der größten Kriegsverbrecher als "Zeuge" vor dem "Tribunal" geladen wird, überrascht mich nicht. Seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten wurde von seinem ehemaligen Chef Bill Clinton gestützt, um seinen schmutzigen Krieg zu rechtfertigen. Ich glaube, es gilt nicht, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, sondern die Kriegsverbrecher rein zu waschen.

Interview: Cathrin Schütz


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