Parlamentarische Versammlung des Europarats

Straßburg, 27. Juni 2002

Antrag zur Beschlussfassung
über schwerwiegende Rechtsverstöße im Fall von Herrn Slobodan Miloševic

  1. Die Versammlung äußert Besorgnis über den Charakter des Prozessverlaufs beim Haager Tribunal für das ehemalige Jugoslawien im Falle von Herrn Miloševic. Es gibt Berichte über Verstöße gegen allgemein anerkannte Rechtsnormen, insbesondere gegen die Menschenrechte von Herrn Miloševic und gegen sein Recht auf angemessene Verteidigung.

  2. Herrn Miloševic wird während seines Kreuzverhörs der Zeugen ständig das Wort entzogen, was ihn seines Rechts beraubt, falsche Behauptungen einiger der Zeugen offenkundig zu machen. Man entzieht ihm ausreichende Erholungsmöglichkeiten, den Zugang zu frischer Luft sowie angemessene Möglichkeiten zur Vorbereitung seiner Verteidigung. Es wird ihm nicht gestattet, Ärzte und Juristen seiner Wahl zu konsultieren.

  3. Durch die Kombination der Anklagen wegen Kosovo, Bosnien und Kroatien erhält die Anklagevertretung eine unangemessen lange Zeit zur Darlegung ihres Standpunktes. Somit wird der Angeklagte jahrelang in Haft gehalten, bevor er überhaupt beginnen kann, sich zu verteidigen.

  4. Herr Miloševic wird so behandelt, als ob er bereits verurteilt ist. Er wird in einer Zelle unter ständiger Überwachung gehalten, seine Korrespondenz wird zensiert, Familienbesuche werden beschränkt. Man beschränkt ihn darin, was er am Radio und Fernsehen hören und sehen kann. Das Recht der allgemeinen Öffentlichkeit auf objektive Information über die Entwicklungen im Verfahren von Herrn Miloševic wird durch einen völligen Nachrichten-Blackout verletzt.

  5. Die Versammlung stellt fest, dass das Haager Tribunal eher als Instrument der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Jugoslawiens denn als Instrument der Gerechtigkeit benutzt wird. Dies trägt zu politischer Destabilisierung Jugoslawiens bei, indessen das Land dringend Stabilität braucht, um seine sich verschärfende wirtschaftliche und soziale Krise zu bewältigen.

  6. Die Versammlung beschließt, eine Untersuchungsmission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats nach Den Haag zu entsenden, um eine Einschätzung des Verfahrens vorzunehmen und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats darüber Bericht zu erstatten.

Gezeichnet von den Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats:

Gennady Churkin (Russland), Anatoly Rohansky (Ukraine), Nikolay Shaklein (Russland), Andrei Neguta (Moldawien), Alexander Pysarenko (Ukraine), Boris Oliynik (Ukraine), Ashot Galoyan (Armenien), Valeri Federov (Russland), Gagik Manukyan (Armenien), Rafael Huseynov (Aserbaidschan)


zurück  zurück