Den Haag, 29. Oktober 2001, morgens
SLOBODAN MILOSEVIC:
ICH HABE NUR MEIN VOLK GEGEN DEN MIT CLINTON VERBÜNDETEN TERRORISMUS VERTEIDIGT
(Transkript der Stellungnahme von Präsident Slobodan Milosevic im Den Haager "Gerichtssaal" am 29. Oktober 2001, morgens)
Zu allererst: Ich stelle keinerlei Verfahrensanträge an dieses Gericht, weil ich dieses Gericht nicht anerkenne. Wenn Sie das, was ich an diesem Mikrofon sage, als einen Antrag werten, ist das Ihre Sache.
Zweitens, was die amici curiae betrifft, habe ich Ihre Erläuterung, als Sie die amici curiae ernannten, dahingehend verstanden, dass ihre Ernennung zu einem fairen Verfahren beitragen soll, wenn es überhaupt in einem derartigen illegalen Verfahren Sinn macht, den Begriff "faires Verfahren" auch nur zu erwähnen. Ich denke, dass durch diese Ernennung eine Kollektion neuer Konzepte angereichert wurde. Diese Umstände, unter denen zwei Mannschaften für denselben Zweck arbeiten, könnten nun die Bezeichnung Das Haager Fair Play erhalten. Was diese Flut neuer Anklageänderungen und Anklagen betrifft, so kann sie die Wahrheit nicht ertränken, weil die Wahrheit Millionen von Menschen bekannt ist.
Ich habe hier wie bei der vorigen Gelegenheit Äußerungen der Besorgnis gehört, weil ich die Dokumente dieser falschen Anklage nicht lese; Angeblich sollte ich erfahren, wofür ich angeklagt werde. Ich möchte feststellen, dass ich genau weiß, wofür ich angeklagt werde. Ich werde angeklagt, weil ich mein Volk verteidigt habe, und zwar rechtmäßiger Weise und mit legitimen Mitteln auf der Basis des Rechts der Selbstverteidigung, das jeder Nation eigen ist. Ich hatte die Ehre und das Privileg, mein Volk gegen den verbrecherische Angriff, der gegen es unternommen wurde, zu verteidigen und mein Volk gegen den Terrorismus zu verteidigen, mit dem die Clinton-Administration eng zusammenarbeitete, was niemand wird leugnen können.
Die Wahrheit dürfte durch keine Flut von falschen Anklagen zu ertränken sein. Ich habe keineswegs die Absicht, etwas inhaltlich in mich aufzunehmen, was völlig fingiert und von der Wahrheit sehr weit entfernt ist.
Was den Vortrag betrifft, den ich hier über die Frage gehört habe, wer die zuständige Behörde war, und ob diese eine Regierung etwas vor jener anderen Regierung hätte tun sollen, so bin ich erstaunt, dass selbst ein Anwalt aus Belgrad, ein Mitglied der amici curiae, über Zuständigkeitsfragen redet und dabei vergißt, dass keine Regierung die rechtmäßige Befugnis hätte haben können, irgendeine Abmachung einzugehen, die die Verfassung von Serbien und die Verfassung von Jugoslawien verletzen würde.
Es freut mich, dass die Herren der Gruppe der amici curiae sich bewußt sind, dass sie nicht in meinem Namen sprechen dürfen, und dass ich mit ihnen nichts zu tun habe.
Den Haag, 29. Oktober 2001, nachmittags
SLOBODAN MILOSEVIC (nach Verlesung der "Kosovo-Anklage"): Was wir soeben gehört haben, zeigt an sich schon, dass die Anklage falsch ist, und ist auch der Beweis, nach dem Mr. Robinson (der beisitzende Richter im Wortwechsel mit den amici curae, die die Befangenheit des Gerichts geltend machen; Anm.d.Übers.) fragte, für die Befangenheit dieser falschen Anklage und der Anklagevertretung. Und dies aus zwei Gründen: Erstens ist da die durchgängige Absicht, völlig die Rollen zu vertauschen, welche die beiden Seiten in dem Konflikt gespielt haben...
(Hier wird das Mikrofon abgestellt)
SLOBODAN MILOSEVIC (nach Verlesung der "Kroatien-Anklage"): Diese Anklage ist der zweite Akt des gegen mein Volk begangenen Verbrechens, weil sie das Opfer zum Schuldigen erklärt, um die wirklich Schuldigen an dem Verbrechen gegen Jugoslawien in Schutz zu nehmen. Es ist absurd, Serbien und die Serben für die bewaffnete Sezession Kroatiens anzuklagen, durch die ein Bürgerkrieg, Konflikte und Leiden der zivilen Bevölkerung ausgelöst wurden. Die Anklage versucht sogar den verstorbenen kroatischen Boss Franjo Tudjman zu widerlegen, der in seiner Botschaft an das kroatische Volk sagte...
(Hier wird das Mikrofon abgestellt)
Den Haag, 30. Oktober 2001
SLOBODAN MILOSEVIC:
DER ZWEITE AKT DES VERBRECHENS GEGEN DAS SERBISCHE VOLK
(vollständiges Transskript von Milosevics "J´accuse" in Den Haag)
Ich verlange, dass Sie die Anklägerin aus naheliegenden Gründen vom Verfahren ausschließen, und ich werde nur zwei nennen. Erstens hörten wir sie gestern laut und deutlich die Anklage zu Kosovo verlesen, die allein von Ereignissen zwischen dem 24. März und dem Ende der ersten Woche im Juni handelt, wobei zweitens alle Welt weiß, dass genau vom 24. März bis einschließlich der ersten Woche im Juni die NATO ihre verbrecherische Aggression gegen Jugoslawien begangen hat.
Die Anklage und was wir gehört haben, besagt unausgesprochen, dass nicht die NATO eine Aggression gegen Jugoslawien sondern vielmehr Jugoslawien eine Aggression gegen sich selbst beging, und daher die Folgen der 78 Tage und 78 Nächte des Bombardements Jugoslawiens, bei dem 22.000 Tonnen Bomben abgeworfen wurden, und das eine gewaltige Zahl von Opfern forderte - dass dies nicht Auswirkungen einer NATO-Aggression gewesen sind sondern eigentlich die Auswirkungen der Aggression, die Jugoslawien gegen sich selbst beging.
Das ist nicht einfach Parteilichkeit. Parteilichkeit ist ein zu mildes Wort. Was wir gehört haben, übertraf selbst, was wir früher von feindlicher Seite, d. h. vom NATO-Sprecher zu hören bekamen. Damit ist dies offensichtlich ein Fall einer als total zu bezeichnenden Parteilichkeit. Wenn das Gericht im Stande ist, sich blind gegen die Tatsache zu stellen, dass vom 24. März bis zur ersten Juniwoche eine Aggression begangen wurde, dass die Zahl der Opfer gewaltig war, dass 22.000 Tonnen Bomben abgeworfen wurden, und dass hier der Versuch gemacht wird, all dies Jugoslawien zur Last zu legen, als ob es diese Verbrechen gegen sich selbst begangen hätte, und der NATO Absolution zu erteilen - und ich denke, dass selbst ein illegales Gericht diese Tatsachen in Betracht ziehen muss - wenn das Gericht diese Tatsachen nicht in Betracht ziehen will, dann ist offenkundig, das dies nicht ein Gericht ist sondern nur Teil der Maschinerie zur Ausführung von Verbrechen gegen mein Land und mein Volk.
Sollte letzteres der Fall sein, sollte das Gericht sogar eine derart flagrante Befangenheit nicht in Betracht ziehen und einen derart entscheidenden Sachverhalt wie die Aggression außer Acht lassen, um nicht die Anklägerin wegen schamlos frecher Behauptung der Unwahrheit und Parteinahme für den Aggressor ausschließen zu müssen, wenn dies der Fall ist und demnach das Gericht Teil der Maschinerie ist, dann bitte verlesen Sie das Urteil, das zu fällen Sie angewiesen worden sind, und hören Sie auf, mich mit dem stundenlangen Anhörenmüssen von Texten zu belästigen, die auf dem Niveau eines siebenjährigen Kindes geschrieben sind, genauer gesagt, eines geistig zurückgebliebenen siebenjährigen Kindes. Belästigen Sie mich nicht, verlesen Sie Ihr Urteil. Ich denke, dass all dies bisher eine Farce gewesen ist. Wenn das, was wir gestern hörten, hingenommen wird, dass Jugoslawien eine Aggression gegen sich selbst beging, und dass es da für die Anklagevertretung keine Auswirkungen der NATO-Aggression gegeben hat, dann dürfte alles, was folgt, der reine Zirkus sein. Darum rege ich an, dass sie die Urteile gleich fällen, und damit all den Verfahrensfragen aus dem Weg gehen, mit denen Sie es zu tun haben.
Zweitens möchte ich Ihnen eines sagen, und zwar um Sie zu warnen. Ich möchte Sie warnen, dass diese Verfahren einen direkten Einfluß auf die Anstiftung zum Terrorismus im Süden Serbiens haben. Ich möchte Sie warnend darauf aufmerksam machen, das in diesen Tagen, Wochen und Monaten albanische Terroristen im Süden Serbiens Menschen die Kehle durchschneiden, Feuer legen, vergewaltigen, zusammenschlagen, plündern und im übrigen alles machen, was sie schon in Kosovo und Metohija gemacht haben. Sie wurden darin beflügelt, weil im Unterschied zu der gegenwärtigen US-amerikanischen Administration, die eine antagonistische Haltung zum Terrorismus verkündet hat, die vorherige Administration im Bündnis mit Terrorismus stand. Sie wußten, dass Usama Ben Laden, zwei Jahre, nachdem er ihre Botschaften zerstört hatte, in Albanien war. Sie kommentierten dieses Faktum sogar, als sie mit mir und meinen Kollegen zusammentrafen. Also stiften Sie bitte nicht zu Terrorismus im Süden Serbiens an, weil die Menschen dort schon genug leiden. Sie sollten auch Im Kopf behalten, dass wegen eines derartigen Terrors und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen 330.000 Personen aus Kosovo und Methohija vertrieben wurden. 330.000 überwiegend Serben und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen.
RICHTER MAY: Das haben wir schon gehört und wir würden nun gerne hören, was Sie zu sagen haben, ob Sie etwas über Ihren körperlichen und geistigen Zustand sagen wollen.
[Man beachte, dass dies eine Rückübersetzung aus dem serbischen ist.]
SLOBODAN MILOSEVIC: Also habe ich meine Stellungnahme darauf zu beschränken, ist das so? OK.
Dann möchte ich vom Gericht verlangen, da ich gehört habe, dass die Gegenseite darauf besteht, dass ich keine "Privilegien" hinsichtlich eines zügigen Verfahrens habe, woraus ich entnommen habe, dass es Ihr Plan ist, das Verfahren etwa drei Jahre dauern zu lassen, lassen Sie mich wenigstens nicht im Bezug auf die Behandlung diskriminiert sein. Ich verlange daher, dass die Kameras aus meiner Gefängniszelle entfernt werden, und dass Sie aufhören, beim Besuch meiner Familie ihre Bediensteten präsent zu haben. Die Begründung für die Kameras in der Zelle ist unsinnig. Es wird behauptet, dass die Kameras notwendig sind, um mich daran zu hindern, Selbstmord zu begehen. Hiermit erkläre ich gegenüber dem Gericht, dass ich nie Selbstmord begehen würde, zunächst einmal, weil ich meinen Kindern und meiner Familie nicht antun will, sie zu Kindern von jemand zu machen, der Selbstmord beging.
Zweitens würde ich nie Selbstmord begehen, weil ich hier zu kämpfen habe, um dieses Gericht zunichte zu machen, und dies Zerrbild eines Verfahrens und seine Auftraggeber, die dieses Gericht gegen Personen benutzen, die für Freiheit in der Welt kämpfen.
Also entfernen Sie bitte die Kameras und die Bediensteten, weil die Vorschrift, dass Kameras für die Dauer eines Monats angebracht werden können, mittlerweile vier Monate lang ohne irgendeine Begründung mißbraucht wurde, die Ein-Monats-Regel mißbraucht wurde, weil Sie die Macht dazu haben.
Dies verlange ich, nicht um privilegiert zu sein, sondern um wenigsten in dieser Beziehung nicht länger diskriminiert zu werden. Was die Überwachung anderer Begegnungen, Bandaufnahmen von Telefongesprächen etc., die Sie angeordnet haben, betrifft, so ist das Ihr Problem. Machen Sie nur so weiter. Aber eigentlich müssen doch, wenn meine Familie hier ist, Ihre Bediensteten nicht auch noch dabei sein - abhören können Sie doch selbst ohne deren Anwesenheit; ich würde Sie also bitten, mich von dieser Unannehmlichkeit möglichst zu befreien.
Inoffizielle Übersetzung aus dem Englischen:
Klaus von Raussendorff