»Racak« aus der Klage gestrichen
Milosevic-Witwe verlangt neue Untersuchung

Die Witwe des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, Mira Markovic, hat die kanadische Rechtsanwältin Tiphaine Dickson mit der Aufklärung der Umstände beauftragt, die zum Tod ihres Mannes geführt hatten. Frau Markovic misstraut der offiziellen Version zutiefst.

Der Begriff »Massaker in Racak« steht bis heute als Synonym für serbische Gräueltaten an der Zivilbevölkerung Kosovos. Wie ein »Srebrenica im Kleinen« wurde das Geschehen vom 15. Januar 1999 aufgebauscht, um der NATO einen Anlass zur Bombardierung der Bundesrepublik Jugoslawien zu liefern. USA-Außenministerin Madeleine Albright zeigte sich erschüttert von diesem »galvanisierenden Ereignis«, das für ihren deutschen Kollegen Joseph Fischer zum »Wendepunkt« werden sollte. Milosevic und weitere jugoslawische Politiker und Militärs wurden noch während des NATO-Angriffskrieges vor dem Haager Jugoslawien-Tribunal angeklagt.

Wenige Monate, nachdem Milosevic im März 2006 tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden worden war, erwirkte Iain Bonomy, vorsitzender Richter im Prozess gegen die mitangeklagten »Kosovo Sechs« eine Änderung der Anklage. Racak, bis dahin einer der Hauptanklagepunkte, wurde gestrichen. Bonomy behauptete, der Auslöser für den NATO-Krieg, »repräsentiere« die Anklage gegen die Beschuldigten in Sachen Kosovo nicht.

Bonomy fungierte auch als Richter im Milosevic-Fall. So lässt sich ahnen, was hinter dieser Aktion steckt: »Racak« soll nicht noch einmal aufgerollt werden, denn Milosevic war es gelungen, die Anklageversion, in jenem Dorf seien unschuldige Zivilisten exekutiert worden, zumindest schwer zu erschüttern. Überhaupt hatte er, der das vom Sicherheitsrat in Überschreitung seiner Kompetenzen eingerichtete Ad-hoc-Tribunal nicht anerkannte und sich selbst verteidigte, die Rechnung des Gerichtshofs und seiner Initiatoren durchkreuzt. Er nutzte den Prozess nicht nur zur Darstellung seiner Sicht auf die Vorgänge in Jugoslawien, sondern brachte auch immer wieder die kriegstreibende Rolle Deutschlands und der USA zur Sprache. Gerade als es ihm gelungen war, hochkarätige westliche Zeugen zu laden, die ihn entlasteten und die Machenschaften der Gegner Jugoslawiens hervorhoben, verschlechterte sich allerdings sein Gesundheitszustand gefährlich. Die Richter verweigerten eine ärztlich verordnete Behandlung in einer Spezialklinik. Milosevic verstarb nur Tage nachdem er sich hilfesuchend an Russlands Botschaft in den Niederlanden gewandt hatte. Der frühere USA-Justizminister Ramsey Clark, Mitglied im internationalen Unterstützungs-Komitee ICDSM, hatte ein Eilgesuch an den UN-Generalsekretär gerichtet.

Mira Markovic, Milosevics Witwe, hat nun die Anwältin Tiphaine Dickson beauftragt, eine Untersuchung einzuleiten, um die Todesumstände zu klären und die Verantwortlichen zu belangen. Bisher liegen nur Ergebnisse einer internen Untersuchung vor, die von einem Richter am Tribunal geleitet wurde und Milosevic die Schuld am eigenen Tod zuschreibt. Die Hinterbliebenen sprechen dagegen von Mord. Ob man ihm eine falsche Medikation verabreicht oder »nur« die notwendige Hilfe unterlassen hat - nahe liegt, dass Milosevic nicht hätte sterben müssen, wenn man ihn hätte behandeln lassen. Die Ablehnung glich einem Todesurteil. Das ICDSM hatte lange vorher vor der »biologischen Lösung« des Milosevic-Problems gewarnt.

Cathrin Schütz

Neues Deutschland vom 24.07.2007


Die Autorin war Mitarbeiterin des Milosevic-Verteidigungsteams.


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