Milosevic künftig zwangsverteidigt?
Ein Versuch, die Strategie der Selbstverteidigung des Angeklagten zu durchkreuzen

Die Situation des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, angeklagt vor dem ad-hoc Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, spitzt sich derzeit zu. Heute sollte sich der Prozeß eigentlich in seiner zweiten Phase befinden und der sich selbst verteidigende Milosevic seine Argumente und Zeugen präsentieren. Nun scheint unsicher, ob es dazu nach der Sommerpause am 31. August überhaupt kommen wird. Nachdem schon die Anklagezeit zum Vorschein brachte, daß es sich bei den Vorwürfen um teils wirre Konstruktionen handelte, die oft mit bestochenen Zeugen gestützt werden sollte, weisen nun alle Zeichen auf den Einsatz eines Zwangsverteidigers. Die Möglichkeit, den studierten Juristen Milosevic aus seinem Prozess abzudrängen, wurde von der Staatsanwaltschaft unter Chefanklägerin Carla del Ponte schon lange gefordert. Bisher hatten sich die Richter jedoch dagegen gestellt. Doch just zum Zeitpunkt des Beginns der Verteidigung nahmen die Richter den Vorschlag auf, in dem sie die lange bekannte Krankheit von Milosevic plötzlich zum zentralen Thema machten. Ein Verteidiger soll den kranken Angeklagten entlasten, so heißt es offiziell.

Doch warum wurde gerade jener Moment gewählt, um den Einsatz eines Verteidigers ins Spiel zu bringen, an dem Milosevic seine vierstündige Eröffnungsrede und seine ersten Zeugen präsentieren wollte? Warum empfing das Tribunal just an jenem Tag, an dem dieser Plan in die Diskussion gebracht wurde, hinter verschlossenen Türen Madeleine Albright?

Sicher ist, daß sie wie andere Akteure der Clinton-Regierung von Milosevics Zeugen massiv belastet werden kann. Neben den deutschen Regierungen Kohl und Schröder liegt es besonders im Interesse der USA, Milosevics Strategie einen Strich durch die Rechnung zu machen. Albright war in ihrer Zeit als US-Außenministerin massiv in den NATO-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Federführung der an den US-Bedingungen gescheiterte Rambouillet-Konferenz verstrickt. Schon als US-Botschafterin bei der UNO hatte sie im Sicherheitsrat die Gründung des Haager ICTY erzwungen und zählte zu den Anti-Serbischen Hardlinern während der 1990er.

Das ICTY fügt sich immer wieder dem politischen Druck seiner Finanzgeber, zu denen neben Saudi-Arabien, internationalen Großkonzernen und George Soros die NATO-Staaten zählen. Vor allem der Prozeß gegen Milosevic hat die Auswirkungen immer wieder offen gezeigt. So haben sich die Richter schon unzählige Male über das geltende Prinzip der Gleichbehandlung von Anklage und Verteidigung hinweggesetzt, zuletzt hatten sie die Bedingungen für Milosevics Vorbereitungen seiner Verteidigung massiv beschränkt. Offensichtlich beunruhigt gewisse Kräfte dieser Tage die Tatsache, daß es Milosevic trotz dem von den Richtern gesetzten Zeitdruck gelang, seine Verteidigung vorzubereiten. Und so überlegen die Verantwortlichen, wie man das Statut des ICTY wie auch geltendes Völkerrecht und die Prinzipien des Angelsächsischen Rechts erneut umgehen kann und dem Angeklagten das Recht auf Selbstverteidigung absprechen kann. Sollte ein vom Tribunal eingesetzter Anwalt die Verteidigung führen, kann als sicher gelten, daß eine Beweisführung über die teils direkte Verwicklung der USA in die blutigen Bürgerkriege wie etwa die Verwicklung in die "Operation Storm", die Vertreibung von 200.000 Serben aus der Krajina in Kroatien ausbleiben wird. Vor allem liegt es im Interesse der US-Demokraten, ihre Zusammenarbeit mit muslimisch-fundamentalistischen Kräften in Bosnien und im serbischen Kosovo, die vor Ort teils von Osama Bin Laden persönlich repräsentiert wurden, totzuschweigen.

Da der Schritt zum Zwangsverteidiger juristisch höchst fragwürdig ist, arbeiten die Richter derzeit offensichtlich an Alternativen. So soll die Anklage gegen Milosevic, die ihm Verbrechen in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo vorwirft, in ihre Einzelteile zerlegt werden. Während die Anklage von einer Anklageschrift ausging und darauf basierend Milosevic den "kriminellen Plan" der Schaffung eines "Groß-Serbiens" nachzuweisen versuchte, sollen künftig offenbar alle drei Anklagen separiert werden, was den Charakter der Anklage mitten im Prozeß von Grund auf verändern würde. Der Vorteil für die Drahtzieher des Tribunals könnte darin begründet sein, daß die Trennung der Anklagen deren Entpolitisierung zur Folge hätte. Milosevics These, wonach es nur einen Krieg ihm ehemaligen Jugoslawien gab, den gegen Jugoslawien, ist aufs engste mit der Balkanpolitik Deutschlands und der USA verbunden. Danach haben externe Kräfte die Zerschlagung des Landes geplant und durchgeführt. Derartige Zusammenhänge würden durch die Teilung der Anklagen als unerheblich abgewiesen werden können.

Berichte wie der des deutschen Abgeordneten Willy Wimmer über eine im Jahr 2000 vom US-Außenministerium mitveranstaltete Balkan-Konferenz in Bratislava, auf der man "in aller Klarheit gesagt" hätte, was der Hintergrund der Jugoslawienpolitik der vergangenen Jahre war und ist: "Kontrolle" über die "Region" durch die Revision der Ergebnisse des 2. Weltkrieges, "als Eisenhower es unterließ, dort Bodentruppen zu stationieren", sind im Zeugenstand höchst unerwünscht und es scheint, daß es derzeit darum geht, nichts unversucht zu lassen, um Milosevic zum Schweigen zu bringen, um die eigene Politik weiter verschleiert zu halten.

Cathrin Schütz
Der Artikel erschien leicht gekürzt in
Neues Deutschland vom 29.07.2004


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