Neuer Erfolg für Milosevic Starke Unterstützung für Rehabilitierung des Expräsidenten im serbischen Parlament. Mehrere Gerichtsurteile zugunsten des Haager Häftlings
So viel Publicity hatte Slobodan Milosevic in letzter Zeit selten: Das serbische Parlament diskutierte bei umfänglicher Live-Berichterstattung des Fernsehens tagelang einen Gesetzentwurf, der die Niederschlagung von Gerichtsverfahren gegen ihn und seine Familie vorsah. Diese Verfahren seien, so heißt es in der Vorlage, nach dem Sturz Milosevics im Oktober 2000 von der nachfolgenden DOS-Regierung im Zuge einer »politisch motivierten Kampagne« lanciert worden, dabei habe das Kabinett des damals neuen Premiers Zoran Djindjic verfassungswidrigen »Druck auf Gerichte, Polizei und Medien« ausgeübt. Der Abstimmungstext war von den oppositionellen Fraktionen der Radikalen Partei und der Sozialisten eingebracht worden. Dagegen sprachen vor allem Vertreter der neoliberalen Regierungspartei G17-Plus und der Demokratischen Partei (DS), die seit Jahresanfang 2004 die Oppositionsbänke drückt.
Die Abgeordneten des regierenden Mehrheitsblocks unter Premier Vojislav Kostunica waren den Debatten weitgehend ferngeblieben. Dies hatte bei westlichen Beobachtern Unruhe ausgelöst, weil gleichzeitig Politiker der Kostunica-Partei einer Aufnahme der Radikalen in die Regierung das Wort geredet hatten. Erst unmittelbar vor der Abstimmung am vergangenen Dienstag kehrten die Kostunica-Anhänger in den Sitzungssaal zurück, votierten dann aber mit Nein. Das Gesetz zur Rehabilitierung Milosevics wurde mit 121 gegen 99 Stimmen abgelehnt.
Dabei ist das Anliegen der Vorlage mittlerweile von der serbischen Justiz schon teilweise erfüllt worden. Kurz vor der Parlamentsdebatte hob der Oberste Gerichtshof die Entscheidung einer niedrigeren Instanz auf, die die Konfiskation von Milosevics Villa im Belgrader Stadtteil Dedinje verfügt hatte. Dies sei nicht rechtens gewesen, weil der Staatschef die Immobilie zwar zu einem erstaunlich niedrigen Kaufpreis (umgerechnet etwa 1 000 Euro), aber vollkommen legal erworben habe. Der Oberste Gerichtshof muß nun über einen weiteren Antrag Milosevics befinden, ihm die übliche Pension eines ehemaligen Präsidenten zu zahlen.
Außerdem wurden Anklagen gegen Milosevics Sohn Marko wegen angeblicher Delikte in seiner Heimatstadt Pozarevac und gegen Tochter Mari-ja wegen angeblichem illegalen Waffenbesitzes von der Justiz niedergeschlagen. Ehefrau Mira Markovic, die derzeit in Moskau lebt, wurde als ehemaliger Professorin eine staatliche Rente gewährt.
So erfreulich die Entwicklung in Serbien, so deprimierend der Stand der internationalen Solidarität: Auf einer Konferenz am letzten Wochenende in Den Haag, in der der Milosevic-Prozeß in seiner Bedeutung für die Deformation des Völkerrechts analysiert wurde, referierten zwar hochkarätige Fachleute wie der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark aber vor weitgehend leeren Rängen. Gerade 60 Besucher waren gekommen, die Presse boykottierte die Veranstaltung geschlossen.
Jürgen Elsässer junge Welt vom 03.03.2005