»Schröder behinderte Lösung«

Mit Yevgeny Primakov stand gestern einer der hochkarätigsten Zeugen der Verteidigung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic im Zeugenstand vor dem Den Haager Tribunal.

Primakov, der nach seiner Funktion als Chef des sowjetischen Geheimdienstes KGB das Amt des russischen Außenministers und zuletzt, 1999, das des Premierministers begleitete, hob wie zahlreiche Zeugen vor ihm hervor, daß Milosevic entgegen der Behauptung der Anklage keine Politik der Errichtung eines »Groß-Serbiens« verfolgte. Milosevic habe versucht, zahlreiche Friedenspläne zu verwirklichen. Für die US-Administration sei Milosevic schon Anfang der 1990er ein ideologischer Gegner gewesen. Er habe sich den Plänen des Westens, Jugoslawien zu zerschlagen, widersetzt und sei der letzte sozialistische Regierungschef Europas gewesen, den es zu beseitigen galt. Bemühungen, einem Regierungswechsel von außen zu verhelfen, hätte es schon damals gegeben. Lediglich im Rahmen der Dayton-Verhandlungen, die den Krieg in Bosnien 1995 beendeten, hätte man die Rhetorik gegenüber Milosevic für kurze Zeit verändert. Ohne Milosevic, das habe auch Madeleine Albright bestätigt, wäre Dayton gescheitert, so Primakov.

Rußland, Gegner des NATO-Krieges gegen Jugoslawien 1999, wollte ein schnelles Ende der Aggression erwirken. Auf Rat des französischen Präsidenten Jaques Chirac sei Primakov Ende März 1999 nach Belgrad gereist. Doch der deutsche Kanzler Gerhard Schröder habe im Rahmen eines Kontaktgruppentreffens verhindert, daß Primakov von seinen Verhandlungserfolgen, die den Krieg frühzeitig hätten beenden können, angemessen berichten konnte.

Offenbar auf Grund politischen Drucks hatte man Milosevic, anklagt der Kriegsverbrechen im Kosovo und in Kroatien und des Völkermordes in Bosnien, im September das Recht auf Selbstverteidigung entzogen. Nach einem Zeugenboykott und dem Rücktrittsgesuch der Zwangsverteidiger, dessen Ausgang bis dato ungewiß ist, führt Milosevic die Verhöre seiner Zeugen vorerst selbst. Auch im Falle von Primakov war zu beobachten, daß es vor allem die Kreuzverhöre des sichtlich feindlich gestimmten Anklägers Geoffrey Nice sind, die die Zeugen herausfordern, klare Positionen zu beziehen, die der Verteidigung zu Gute kommen. Auf Nices Behauptung, die Friedensverhandlungen in Rambouillet Anfang 1999 habe Milosevic »an einem Wort« scheitern lassen, konterte Primakov, es sei keine Frage der Semantik. »Militärische« Truppenpräsenz hätte eine NATO-Bestzung Serbiens bedeutet. Auch Rußland habe sich geweigert, diesen Annex zu unterzeichnen.

Anna Gutenberg

eine gekürzte Fassung erschien in junge Welt vom 1. Dezember 2004


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