Geschichtsfälscher angeklagt

Internationaler Protestmarsch in Den Haag: Slobodan Milosevic »Symbol des Widerstand«

Am Samstag demonstrierten mehrere hundert Menschen in Den Haag gegen das »Kriegsverbrechertribunal« in Sachen Jugoslawien und für die Freilassung von Slobodan Milosevic. »Bush statt Milosevic« gehöre vor Gericht. Serbien und Jugoslawien müßten frei werden, so die Forderungen des Marsches. Dabei protestierten die Vertreter des Komitees für die Verteidigung von Milosevic (ICDSM), darunter Vladimir Krsljanin aus Serbien, Klaus Hartmann aus Deutschland, Ian Johnson aus Großbritannien und John Catalinotto aus den USA, vor allem gegen die Entscheidung der Richter, Milosevic lediglich drei Monate zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu gewähren.

Sie sprachen übereinstimmend von einer »Kampagne des illegalen, parteiischen Tribunals«, dem es darum gehe, den Angeklagten mit allen Mitteln zu schwächen. So befände sich der ehemalige Präsident seit Monaten in Isolation. Lediglich ein einziger Besucher habe Zugang erhalten, während alle anderen Anfragen negativ beschieden wurden. Auch der Umgang mit Milosevics lebensbedrohlicher Krankheit zeige, daß man ihn und seinen »Kampf für die Wahrheit« brechen wolle.

Der Europaparlamentsabgeordnete Costas Alissandrakis von der KP Griechenland bezeichnete Slobodan Milosevic während der Auftaktkundgebung vor dem niederländischen Parlament als »Symbol des Widerstands« gegen die Aggression. Die Besetzung des Kosovo habe den Angreifern nicht ausgereicht: Eine volle und bedingungslose Kontrolle über das ganze Land sei ihr Ziel gewesen. »Sie haben sogar den Namen Jugoslawien ausgelöscht.« Dabei hätten sie Slobodan Milosevic als »Hindernis« betrachtet: »Die Imperialisten haben mehr als hundert Millionen Dollar investiert, um ihre Freunde (in Belgrad) an die Macht zu bringen. Sie gründeten ihr spezielles »Tribunal«... Sie gaben ihren Freunden weitere hundert Millionen Dollar, 50 Prozent vor, 50 nach der Inhaftierung und Auslieferung von Präsident Milosevic.«

»Die Aggressoren sollen unsere Geschichte nicht schreiben«, verlangen in Den Haag vor allem Menschen aus der jugoslawischen Diaspora: Für sie erklärte Misha Gravilovic aus Großbritannien: »Wir wollen unsere Identität, Würde und Geschichte, die für uns serbisch, aber auch jugoslawisch sind, verteidigen. Genau dafür setzen sich Milosevic, aber auch andere Gefangene im Haager Tribunal ein.« Die im Ausland lebenden Jugoslawen könnten nicht viel dazu beitragen, »das okkupierte Land zu befreien. Wir haben keine Waffen, nicht viel Geld, keine TV-Sender.« Doch ließen sich die Jugoslawen ihre Geschichte nicht nehmen, so Gravilovic. »Wir sagen ein klares Nein der CNN-, ZDF-, BBC-Geschichte! Unsere Geschichte wird seit der internationalen Intervention und unter der jetzigen Besatzung umgeschrieben.« Dabei funkioniere die CNN-Geschichtsschreibung nach dem Prinzip »Macht macht Recht«.

Der Demonstrationszug endete mit einer Kundgebung vor dem Scheveninger Gefängnis und der Übergabe Hunderter Grußbotschaften für Milosevic.

Cathrin Schütz, Den Haag

junge Welt vom 10. November 2003


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