Milosevic-Verteidigung ohne Geld: Gilt »Patriot Act« auch in der BRD?

jW fragte Klaus Hartmann, Sprecher der Deutschen Sektion des »Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic«

F: Die Darmstädter Volksbank hat Ihr Spendenkonto zur Verteidigung von Slobodan Milosevic gesperrt. Welche Begründung gab die Bank für diesen außergewöhnlichen Schritt?

Zuerst erfuhr unser Finanzbeauftragter Peter Betscher durch den Einzug der Bankkarten von der Aktion, auf Nachfrage teilte ein Bankangestellter mit, daß gegen Betscher »wegen Spendensammlungen für Slobodan Milosevic ermittelt« werde. Damit wurde suggeriert, daß die Kontensperrung durch die Staatsanwaltschaft gefordert worden war, aber das war eine Ausrede. Bisher wurde keine Aktion der Staatsanwaltschaft ruchbar. Danach redete sich die Bank heraus, die Angelegenheit werde von der Bundesbank geprüft, und deren Abteilung »Finanzsanktionen« müsse das Konto freigeben. Wieder gelogen: Ein Anruf bei der Bundesbank ergab, daß Freigabe oder Sperrung völlig in der Entscheidung der örtlichen Bank liegen. Und noch ein weiteres Konto wurde gesperrt: Die Sparkasse Wetterau sperrte das Privatkonto einer Unterstützerin des Verteidigungskomitees und kündigte ihre Kreditkarten.

F: Aber welche Gründe für »Finanzsanktionen« soll es geben?

Angeblich eine Verordnung der EU-Kommission vom 19. Juni 2001: Danach sind »alle Gelder (...), die Herrn Milosevic und Personen seines Umfelds gehören, einzufrieren«. Aber diese politisch motivierte Verordnung der antijugoslawischen Kriegspartei paßt nicht auf unseren Fall, außer für juristische Analphabeten: Wir sammeln nicht für Milosevic persönlich, sondern für die Verteidigungskosten vor dem Haager »Tribunal«. Sich gegen Anklagen zu verteidigen ist ein elementares Grundrecht.

F: Sie sehen hinter den Aktionen der hessischen Banken die NATO am Werk. Eine neue Verschwörungstheorie?

Exakt einen Tag nach der Kontensperrung heben plötzlich in Belgrader Medien Spekulationen über »finanzielle Sorgen Milosevics« an. Der Wiener Standard titelt scheinheilig »Geht Milosevic das Geld aus?«. In Belgrad stellt sich bei Vladimir Krsljanin, Sekretär des dortigen Verteidigungskomitees, ein Mann vor: Er komme vom deutschen »Staatsradio« (!), und wolle wissen, was an den Geldproblemen für die Milosevic-Verteidigung dran sei. Viele Zufälle in eineinhalb Tagen. Entweder wurden deutsche Geheimdienstler auf Veranlassung ihrer US-Kollegen aktiv, oder aber die CIA trat direkt an die Banken heran. Man ist nicht aufs Spekulieren angewiesen, sondern kann in einem US-Gesetz nachlesen, wie das funktioniert: Wenige Tage nach den Anschlägen in New York, am 19. September 2001, hatte die US-Administration ihren »Patriot Act« präsentiert, ein Gesetzespaket zur Demontage demokratischer Rechte, und nicht nur der US-Bürger. Danach müssen ausländische Banken mit US-Ermittlern kooperieren, wenn die »verdächtige Konten« entdecken, bei Kooperationsverweigerung kann der Schatzminister Sanktionen gegen die Banken verhängen. Das Einfrieren »fragwürdiger« Konten ist eine ausdrücklich erwähnte Maßnahme. Aber stellen Sie sich vor: Schon ein Anruf der Schnüffler, vielleicht die Andeutung »geschäftsschädigender Empfehlungen« an US-Bürger, dürfte genügen, um Vorstände einer Provinzbank zum Erzittern zu bringen.

F: Wie können Spender fortan die Verteidigung von Slobodan Milosevic mitfinanzieren?

Wir werden in Kürze ein neues Konto eröffnen, bei Bankern, die sich nicht als Geheimdienst-Handlanger verstehen. Trotzdem sollten Linke aus dem Vorfall lernen: Nicht nur auf technische Annehmlichkeiten wie bargeldlosen Zahlungsverkehr setzen, das erleichtert auch den Schnüfflern das Leben. Spenden kommen am besten in Form von Barschecks in die bewährten Hände von Peter Betscher, Holzhofallee 28, 64295 Darmstadt.

Interview: Rüdiger Göbel

junge Welt vom 17. Oktober 2003


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