Ausnahmezustand in Serbien beendet: Hält politische Repression an?

jW sprach mit Uros Suvakovic, Herausgeber des theoretischen Magazins der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) »Smisao« und Mitglied des Verteidigungskomitees für Slobodan Milosevic, SLOBODA

F: Am 22. April wurde der Ausnahmezustand in Serbien aufgehoben und Sie kamen nach 25 Tagen Haft aus dem Belgrader Gefängnis frei. Warum waren Sie inhaftiert?

Am 29. März kam die Polizei morgens in meine Wohnung, hat meinen PC und andere Gegenstände konfisziert und mich mitgenommen. Als Grund gab man die Suche nach Mira Markovic an. Slobodan Milosevic und seine Frau waren Tags zuvor öffentlich beschuldigt worden, in den Mord an den früheren serbischen Präsidenten Ivan Stambolic verwickelt zu sein. Ich teilte ihnen meine Verpflichtungen im Verteidigungskomitee SLOBODA mit, in dem ich neben Frau Markovic arbeite, und sagte ihnen, daß ich ihren Aufenthaltsort nicht kenne und daß die Polizei in Anbetracht dessen, daß Frau Markovic unter Polizeischutz steht, mehr Informationen über sie haben sollte. Schließlich fragten sie mich, ob sie in Rußland sei, und ich sagte noch einmal, daß ich dies nicht wisse. Daraufhin wurde ich mit der Begründung inhaftiert, daß meine Freiheit eine Bedrohung für andere Bürger und die Republik darstellen könnte. Sie haben jedoch nicht gesagt, daß ich etwas verbrochen hätte.

Die Polizei befragte mich zum Mordfall Stambolic, und ich sagte ihnen, viele könnten ein Interesse an seiner Ermordung gehabt haben, nur Präsident Milosevic nicht. Zum Zeitpunkt seiner Ermordung war Ivan Stambolic bereits 13 Jahre aus dem politischen Leben ausgeschieden. Im Juni 2000 erwogen einige kleine DOS-Parteien aus der Vojvodina, Stambolic könnte zu den jugoslawischen Präsidentschaftswahlen kandidieren. Am 7. August jedoch entschied sich DOS offiziell für die Ernennung Kostunicas zum Spitzenkandidaten. Am 26. August verschwand Stambolic. Selbst wenn Stambolic trotzdem angetreten wäre, wäre er einer von mehreren Oppositionskandidaten gewesen und hätte nicht Milosevic, sondern Kostunica Stimmen genommen, was für Milosevic von Vorteil gewesen wäre.

Einen Tag vor meiner Inhaftierung habe ich diese Punkte mit Milosevic am Telefon besprochen. Er war verbittert, eines solchen Verbrechen beschuldigt zu werden. Er sagte, er sei bereit, sich jeder Vernehmung in diesem Fall zu stellen. Bis heute sind trotz Ankündigung seiner Befragung keine solchen Schritte unternommen worden.

Ich war damals, im August 2000, in der SPS-Spitze und ein Freund des damaligen serbischen Innenministers, Vlajko Stojiljkovic. Am Tag, als Stambolic verschwand, sprach ich mit ihm. Er sagte, sein Verschwinden sei ein Desaster für den Wahlkampf, weil jeder sofort Milosevic beschuldigen und der Wahlkampf offenbar schmutzig werde. Er erzählte mir, Milosevic habe umgehend nach der Meldung vom Stambolics Verschwinden gefordert, 300 Polizisten einzusetzen, um den Ort seines Verschwindens abzusuchen. Nichts von meiner damaligen Konversation mit Stojiljkovic wissend, hat mir Milosevic am Tag vor meiner Inhaftierung die gleiche Geschichte erzählt. Das alles habe ich der Polizei gesagt.

F: Sie wurden im Rahmen der Erlasse des Ausnahmezustandes inhaftiert, obwohl Ihre Festnahme nicht in den Zusammenhang mit dem Mord an Premierminister Djindjic gestellt wurde?

Neben der Tatsache, daß eine Anzahl von Kriminellen und Verbrechern inhaftiert wurden, was ich begrüße, gab es eine Kampagne gegen Oppositionelle wie Kostunica sowie gegen uns von SLOBODA. In Zusammenarbeit zwischen der Belgrader Regierung und dem Tribunal in Den Haag soll die Verteidigung von Slobodan Milosevic bedroht sowie sein Kontakt zu seinen Mitarbeitern und seiner Familie beschnitten werden. Daher wurden diejenigen inhaftiert, die ihn in seiner Verteidigung unterstützen. Der Vorsitzende von SLOBODA, Bogoljub Bjelica, ist noch immer in Haft.

* Am Abend des 25.04.2003 wurde auch Bogoljub Bjelica aus der Haft entlassen

Interview: Cathrin Schütz, Belgrad

junge Welt vom 26. April 2003


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