Varvarin: Deutsche Richter stellen sich schützend vor die Kriegsverbrecher
Der Bundesgerichtshof hat heute in einem Urteil die Klage von Überlebenden das NATO-Luftangriffs auf das serbische Städtchen Varvarin am Pfingstsonnntag, 30. Mai 1999, abgewiesen. Damit braucht die Bundesregierung den Überlebenden und den Angehörigen der 10 durch die NATO-Bomber getöteten Menschen keinen Schadensersatz zu zahlen. Die Klage war bereits 2003 vom Landgericht Bonn "im Namen des Volkes" abgewiesen worden. Die 34 Kläger aus Varvarin waren daraufhin vor dem Oberlandesgericht Köln in Berufung gegangen, das diese im Juli 2005 abwies. In der Revisionsverhandlung stellten sich nun die BGH-Richter einmal mehr schützend vor die NATO-Bomberpiloten und ihre Auftraggeber.
Die serbische Kleinstadt Varvarin war zehn Jahre lang von den Balkankriegen verschont geblieben. Es gab auch nichts, was an dieser Stadt für irgendeine Kriegspartei von strategischem Interesse gewesen wäre. Varvarin liegt ca. 200 km südlich von Belgrad und ist etwa 200 km vom Kosovo entfernt. Die Stadt hat 4.000 Einwohner und lebt von der Landwirtschaft und dem regionalen Kleinhandwerk und -handel. In der Gegend gibt es weder nennenswerte Industriebetriebe noch irgendwelche militärischen Einrichtungen. Die Stadt wird auch von keinen Truppentransporten tangiert. Der kleine Fluss Morava und die Straßen durch Varvarin haben keine Bedeutung für den Fernverkehr.
Am Pfingstsonntag, den 30. Mai 1999 - es herrschte Marktbetrieb in der Stadt - flog die NATO ohne jede Vorwarnung am hellichten Tag einen Angriff auf die einzige Brücke, die die Morava überquert. Zum Zeitpunkt des Raketenbeschusses befanden sich drei Pkw sowie zahlreiche Fußgänger und Radfahrer auf der Brücke. Teils kamen sie vom Markt oder gingen hin, teils machten sie einfach einen Spaziergang bei dem sonnigen Wetter. Eine Rakete traf den Mittelpfeiler der 200 Meter langen Brücke, die mit den auf ihr befindlichen Menschen und Fahrzeugen in den Fluss stürzte. Unter den Menschen auf dem Markt, der nur wenige hundert Meter vom Geschehen entfernt liegt, brach Panik aus. Passanten begannen sofort nach dem Angriff, Menschen aus dem Wasser zu bergen und Verletzte zu versorgen. Völlig unerwartet kehrte nach ca. drei bis fünf Minuten eine Kampfmaschine zurück und feuerte zwei weitere Raketen auf die schon zerstörte Brücke ab. Es gab abermals Tote und Verletzte. Insgesamt starben bei den Angriffen zehn Menschen, darunter die 16 Jahre junge Sanja Milenkovic, zahlreiche Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Ein Opfer des Angriffs schildert den Vorgang in seiner Zeugenaussage so: "Am Sonntag war ich zu der Zeit, als die Bombe explodierte, mitten in der Stadt. Wie andere Bürger bin auch ich zur Brücke gelaufen. Als ich näher kam (etwa 30 Meter), sah ich, wie Menschen um Hilfe schrien. Ich und noch ein paar von uns begannen einen der Menschen aus dem Wasser zu ziehen. Als ich ihn etwa zwei Meter herausgezogen hatte, knallte es zum zweiten Mal. Ich ließ den anderen, so gebeugt wie ich war, fallen und fiel selber. Im rechten Bein traf mich ein Granatsplitter. Als ich aufstand, merkte ich zunächst nicht, dass meine rechte Hand abgerissen war. Es vergingen etwa fünf Minuten, niemand hatte (nach dem zweiten Angriff) zunächst den Mut, sich uns zu nähern. Ich schaute um mich und sah viele Menschen liegen. Einige riefen um Hilfe, andere waren schon tot..."
Bis heute gab es weder von der damaligen (SPD/Grünen) oder heutigen (SPD/CDU/CSU) deutschen Bundesregierung, der Bundeswehr oder der NATO das Eingeständnis eines Fehlers bei der Zielplanung oder wenigstens eine Entschuldigung für die Opfer. Warum auch - das ist Imperialismus und Deutschland ist dabei.
Quellen: AG Friedensforschung Uni Kassel, Bonner Friedensbündnis, Medienberichte - Zusammenfassung: RedGlobe
02.11.2006