SLOBODU SLOBODANA! VIDOVDAN 2001 - KATASTROPHE NICHT NUR FÜR SERBIEN

Der serbische Diktator und Ehrenvorsitzende der NATO-Kriegsverbrecherallianz Zoran Djindjic hat einen Verfassungsputsch inszeniert, der Jugoslawien zerrissen und Serbien zum Land der Gesetzlosen, zum Schurkenstaat gemacht hat. Die Balkanisierung des Balkans, von den westlichen Siegermächten im Kalten Krieg mit Verve betrieben, hat ihren unrühmlichen Höhepunkt erreicht. Im Südosten Europas herrschen die Gesetze des Wilden Westens. Für ein paar Dollar mehr wurde die jugoslawische Verfassung nach Den Haag ausgeliefert.

Daß die Überstellung Milosevic´ erkauft wurde, wird von der westlichen Journaille nicht ohne Häme kommentiert. So kann den Serben neben vielen anderen schlechten Eigenschaften auch noch Käuflichkeit angedichtet werden. Daß zu einem solchen Deal zwei Seiten gehören, ist der medialen Erwähnung nicht wert. Die westliche Wertegemeinschaft hat alles Recht der Welt, beim Export ihrer Werte den Höchstpreis, die Preisgabe der nationalen Unabhängigkeit, zu verlangen. Die Werte - angeblich Demokratie und Menschenrechte - sind auf den Dollarkurs bezogen und realisieren sich auf dem »freien Markt« als Bestechungssummen. Wer bezahlt, bestellt die Musik. Für Jugoslawien ist es das Lied vom Tod.

Djindjic, der sich in Konstanz mit der kritischen Theorie beschäftigte, ist ein 68er wie Clinton, Fischer, Schröder, Solana und andere, die von einem Belgrader Gericht wegen erwiesener Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilt worden waren. In ihrem Rechtsnihilismus sind sie »Antiautoritäre« geblieben. Ihr »Anarchismus« findet in der Anarchie des Kapitals seine Entsprechung. Doch je entfesselter das Kapital, desto stärker sein Drang zum Autoritarismus. Als Djindjic Milosevic auslieferte, setzte er sich über alle Regeln des Parlamentarismus und der Rechtsstaatlichkeit hinweg. Für eineinhalb Milliarden Dollar löste er hinter dem Rücken von Serben und Montenegrinern und deren Volksvertretungen Jugoslawien faktisch auf. Er hat in der Gestalt Milosevic´ Serbien an das Tribunal der Kriegsverbrecher ausgeliefert, exakt am 28. Juni (Vidovdan), dem Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld - eine beispiellose Verhöhnung serbischen Geschichtsbewußtseins.

Der Vidovdan 2001 ist auch für die bürgerliche Demokratie ein Tag der Katastrophe - was in der zivilisierten Welt der parlamentarischen Demokratie keineswegs so empfunden wird. Denn ihre Selbstauflösung - zugunsten einer uneingeschränkten Kapitalherrschaft - ist der bürgerlichen Demokratie immanent. Ein Tag der Katastrophe ist der Vidovdan 2001 auch für die internationale Linke, was ihr aber mehrheitlich nicht bewußt ist. In ihrer Animosität gegenüber Milosevic verkennt sie, daß am 28. Juni das Recht auf demokratische Selbstbestimmung ausgeliefert worden ist. Slobodu Slobodana! - Freiheit für Slobodan! - steht für den Ruf nach der Freiheit der unterworfenen Nationen.

Werner Pirker


Aus: junge Welt vom 30.06.2001


zurück  zurück